Bochum/Herne. . Die Anzahl der lebensgefährlichen Messerattacken nimmt deutlich zu. Allein wegen dieser Waffe wurden im Vorjahr 25 Mordkommissionen eingerichtet.

Die Bochumer Polizei und Justiz müssen immer öfter schwere Messerattacken aufklären. „Wir haben im vergangenen Jahr so viele Mordkommissionen einsetzen müssen wegen der Verwendung von Messern wie in den anderen Jahren für alle Tötungsformen: erschlagen, erschießen, erwürgen“, sagte gestern der Bochumer Kripo-Chef Andreas Dickel in einem WAZ-Gespräch.

Im Durchschnitt wurden jährlich immer 25 Mordkommissionen eingerichtet, in 2018 waren es aber 43 – und davon befassten sich 25 mit einem lebensgefährlichen Angriff mit einem Messer. Die Zahlen gelten für alle drei Städte des Bochumer Polizeibezirks, auch Herne und Witten.

Vier Stiche in den Bauch

„Eindeutig hat der Einsatz von Messern zur Konfliktlösung zugenommen“, sagt Dickel. Die Konsequenzen sind katastrophal, sowohl was Leib und Leben der Opfer betrifft als auch die Zukunft der Täter.

Kripo-Chef Andreas Dickel.
Kripo-Chef Andreas Dickel. © Sebastian Sternemann

Ein Beispiel von vielen: Am Freitag (18.1.) spricht das Landgericht das Urteil über einen 20-jährigen Bochumer, der am 18. Mai 2018 an einem Spielplatz in Höntrop aus nichtigem Anlass einem 27-Jährigen viermal in den Bauch und einmal in die Brust gestochen haben soll. Das Opfer wurde notoperiert.

Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann fordert für den Angeklagten drei Jahre und neun Monate Jugendstrafe wegen versuchten Totschlags.

Messer als Statussymbol

„Viele Menschen glauben heute, es sei gefährlicher geworden, und wollen sich vor Straftaten mit einer Bewaffnung schützen“, sagt Dickel. Tatsächlich sei die Anzahl an Straftaten, auch der Straßenraubüberfälle, seit Jahren rückläufig. Und eine Selbstbewaffnung sei nur eine Scheinsicherheit.

Messerattacken „prinzipiell immer lebensbedrohlich“

Viele Täter wissen nicht, wie gefährlich Messerattacken sind. Sie sind „prinzipiell immer lebensbedrohlich“, sagt Dr. Dominic Mühlberger, Gefäßchirurg im St.-Josef-Hospital der WAZ.

Am gefährlichsten seien Stiche in die Bauchschlagader. 80 Prozent seien tödlich. 40 Prozent der Opfer würden „innerhalb von Minuten verbluten“, weitere 40 Prozent im Hospital. Besonders gefährlich seien auchStiche (selbst kleinere) in Leber, Hals, Brust und Lunge.

Kritisch seien auch die Bereiche Schlüsselbein und Leiste wegen der dortigen Gefäße. Selbst drei bis fünf Zentimeter tiefe Stiche könnten tödlich sein.

„Die Menschen glauben, dass sie durch die Waffe sicherer vor einer Straftat seien und tragen damit zur Eskalation bei.“ Auch bereits in den Schulen würden heimlich Messer getragen.

„Ich glaube, dass ein erheblicher Prozentsatz der Schüler ab 14 Jahren ein Messer mit zur Schule nimmt, weil sie sich damit brüsten als Statussymbol und weil sie sich vor vermeintlichen Straftaten schützen wollen.“

Polizei startet Aktion an Schulen

Überproportional seien Menschen mit Flüchtlings- und Migrationshintergrund die Täter. Das liege daran, weil sie weniger Vertrauen in die Polizei hätten, häufiger selbst schon Opfer geworden seien und in einer Kultur leben würden, „in dem das Messer zum Mann dazugehört“.

Die Kripo Bochum hat jetzt die Aktion „Besser ohne Messer“ gestartet. Damit klärt sie in Schulen darüber auf, wie man Streit ohne Messer löst und wie gefährlich diese Waffen sind.