Bochum. . Nach dem Bundesteilhabegesetz können Eltern mit Behinderungen Hilfe bei der Erziehung ihrer Kinder bekommen. Eine Bochumer Mutter berichtet.

Kinder hat Melanie* sich immer gewünscht. Doch als sie zum ersten Mal schwanger wird – sie ist gerade mit der Schule fertig, hat gerade erst ihre Ausbildung begonnen – da kann sie nicht anders, als die Schwangerschaft abzubrechen. Noch heute, 16 Jahre danach, hört man die Traurigkeit in ihrer Stimme, wenn sie davon erzählt.

Fachkräfte kommen ins Haus

Warum also die Abtreibung? Weil nicht nur ihr Partner, sondern auch Melanie selbst „leichte Einschränkungen“ hat, wie sie selbst sagt, oder wie andere sagen würden: eine Behinderung. Ihre Mutter sei Alkoholikerin gewesen, habe auch während der Schwangerschaft getrunken, erzählt Melanie, so sei das eben gekommen. Dass es Unterstützung für Eltern mit körperlichen oder geistigen Handicaps gibt, dass sie sich helfen lassen könnte – das weiß Melanie damals nicht. Sie sieht nur ihre Situation, ihre Vorgeschichte, und die Gefahr, dass das Jugendamt ihr ein Kind sofort wegnehmen würde.

Heute hat Melanie zwei Söhne. Ihr Lebensgefährte ist derselbe wie damals: ihre erste Liebe. Jeden Montag bis Donnerstag, um vier Uhr am Nachmittag, kommt Unterstützung ins Haus. Die „Diakonie-Fachkräfte“, erklärt Melanie, und ist voll des Lobes: „Es ist gut, dass sie da sind.“

Ein besseres Leben für die Kinder

Nach dem Bundesteilhabegesetz steht Eltern mit Behinderungen Hilfe bei der Erziehung zu – so sollen mögliche Einschränkungen durch die Behinderung ausgeglichen werden. Für Melanies Familie ist die Diplompädagogin Marion Ludwig von der Diakonie zuständig. Sie teilt sich die Betreuung mit weiteren Fachkräften. Als das erste Kind geboren wurde, habe man das Paar täglich für mehrere Stunden unterstützt, erzählt Ludwig, morgens und abends. Anfangs ging es um Grundsätzliches: Struktur in den Tagesablauf bringen, Arztbesuche wahrnehmen, das Kind richtig ernähren und schließlich auch erzieherische Fragen klären.

„Das war ziemlich viel und ich war auch skeptisch am Anfang aber dann habe ich gemerkt, dass mir das wirklich hilft“, sagt Melanie. Schließlich sei sie auch oft unsicher gewesen: „Mache ich alles richtig, ist das normal, wie soll ich jetzt reagieren?“. Denn eines stand für Melanie immer fest: Sie wollte ihre Kinder gut erziehen – „liebevoll und gewaltfrei“. Dass sie diesen Aspekt so betont, hängt mit ihrer eigenen Kindheit zusammen: Melanie hat nicht nur Gewalt, sondern auch sexuellen Missbrauch erfahren müssen. „Normalität“ musste sie in vielfacher Hinsicht erst lernen. Doch dabei standen und stehen ihr Marion Ludwig und ihre Kolleginnen zur Seite. Auch wenn Melanies Sorgen mal wieder übermächtig werden – bis heute fürchtet sich die 36-Jährige davor, dass das Jugendamt ihr die Kinder wegnehmen könnte. „Diese Angst bekomme ich nicht aus meinem Kopf“, sagt sie.

„Sie ist an ihren Aufgaben total gewachsen“

Hilfe wird beim Jugendamt beantragt

Die Elternassistenz kann einfache Hilfestellungen im Alltag umfassen, aber auch pädagogische Beratung und Betreuung.

Seit 2018 ist der Anspruch auf Assistenzleistungen für Eltern mit Behinderungen im Bundesteilhabegesetz, § 78 Abs. 1,3 SGB IX, festgeschrieben.

Die Unterstützung wird als Hilfe zur Erziehung beim Jugendamt beantragt. Auch Eltern ohne Behinderung können Hilfen zur Erziehung bekommen.

Dabei ist Marion Ludwig mit Melanie mehr als zufrieden: Und: „Sie bietet ihren Kindern ein wesentlich besseres Leben, als sie es damals hatte.“

Mittlerweile geht Melanies älterer Sohn zur Schule, der jüngere besucht den Kindergarten. Laut und turbulent seien die beiden, aber sie habe das ganz gut im Griff, erzählt Melanie lachend.

Sie hat viel erlebt, viel bewältigt: eine traumatische Kindheit, die Angst vor Wiederholung, vor dem eigenen Versagen – und nicht nur sich selbst, sondern auch anderen bewiesen, dass sie eine Mutter sein kann, mehr noch: eine gute Mutter. „Deshalb wollte ich meine Geschichte erzählen“, sagt Melanie, „um anderen die Augen zu öffnen: Auch Menschen mit Einschränkungen können Kinder haben.“

*Name geändert