Bochum.. In der Propsteikirche steht eines der bedeutendsten Kunstwerke der Stadt: ein Reliquienschrein. Er beherbergt Knochensplitter einer Heiligen.
In goldenem Glanz steht er auf dem Altar der Propsteikirche und leuchtet in vollendeter, in heiliger Erhabenheit. Kaum ein Kunstwerk in Bochum ist bedeutender als der Reliquienschrein dieses Gotteshauses. Der Kern des Kirchenschatzes stammt aus der Zeit um etwa 1100. Und was er beherbergt, soll sogar 1800 Jahre alt sein.
Es sind ganz kleine Knochensplitter, die angeblich der Heiligen Perpetua und ihrer Sklavin Felicitas entstammen. Sie starben im Jahr 203 den Märtyrertod aus Glaubenstreue zu Jesus Christus.
„Es ist eines der ältesten mobilen Kunstwerke, die wir in Bochum haben“, sagt Propst Michael Ludwig über den Schrein und stellt einen selbstbewussten Vergleich an. Der Kölner Dom mit seinem weltberühmten Dreikönigsschrein sei erst ab der Zeit um 1220 erbaut worden – „da hatten wir das Kunstwerk schon.“
20 Kilogramm schwer ist der Schrein
Jeder Besucher in der Kirche kann das wie ein klassisches Haus mit Giebeldach aufgebaute Reliquiar leicht finden; er steht in einer vergitterten Nische am Ende des rechten Ganges direkt unter dem Marienaltar. Um ihn für den WAZ-Fotografen besser ins Licht zu setzen, holt ihn der Propst für ein paar Minuten heraus und trägt ihn auf den Altar.
Der Reporter, der ihm beim Transport kräftig zur Hand geht, schämt sich nicht zu gestehen, dass ihn dabei eine nervöse Ehrfurcht beschleicht; allein das biblische Alter des rund 20 Kilo schweren Schreins übersteigt jede Vorstellungskraft.
Frauen sind den Märtyrertod für Jesus gestorben
Perpetua war eine Nordafrikanerin aus vornehmem Hause; der Vater heidnisch, die Mutter christlich. Auch Perpetua nahm den christlichem Glauben an. Im Wege der Christenverfolgung unter der Herrschaft des römischen Reiches wurde sie in der Arena von Karthago (nahe dem heutigen Tunis) wilden Tieren vorgeworfen. Dabei starben sie und ihre Sklavin. Sie gelten als mithin älteste „Blutzeuginnen“ des Christentums, deren Schicksal zuverlässig überliefert sein soll.
Rund 900 Jahre später wurden der Überlieferung nach winzige Teile ihrer Gebeine, die in einer Kirche in Karthago bestattet worden sind, nach Bochum gebracht. Von wem und unter welchem Umständen, ist bis heute ein Geheimnis. Propst Ludwig: „Das Besondere ist, dass diese Reliquie von engagierten, gläubigen Menschen von Afrika über Rom und die Alpen bis nach Bochum gebracht wurden. Es muss eine starke Gemeinde gewesen sein, die das finanzieren konnte. Und dann haben diese Menschen auch noch den Schrein dazu anfertigen lassen.“
Die Reliquien sind in ein Kissen aus Seide und Leinen eingenäht. Der Schrein selbst besteht aus Holz, Silber- und Kupferblech sowie Emaille. Mehrfach wurde der Schrein erweitert. Die beiden Längswände zeigen die zwölf Apostel; sie sollen zwischen 1450 und 1560 ergänzt worden sein. Die Heilige Perpetua wird an der Vorderseite des Schreins mit der Palme als Zeichen des Martyriums dargestellt.
Reliquie der Heiligen Edith Stein, die in Auschwitz starb
Erst vor wenigen Jahren wurde eine weitere Reliquie in den Schrein gelegt. Es ist ein Stück des Brautkleides, das die von den Nazis in Auschwitz ermordete Philosophin und Frauenrechtlerin Edith Stein 1933 bei ihrer Einkleidung im Kölner Karmelitinnen-Orden getragen hatte. Die Tochter jüdischer Eltern wurde 1998 vom Papst heilig gesprochen. Ein Mitglied der Bochumer Gemeinde Peter und Paul hatte über Edith Stein promoviert und die Reliquie für den Schrein zur Verfügung gestellt.
Propst Ludwig fasst die Bedeutung der Reliquien so zusammen: „Schon damals gab es starke Frauen, die den christlichen Glauben bezeugt haben.“