Bochum. . Im Glockenturm wird ein Turmzimmer eingerichtet, wo man Ruhe erleben und religiöse Erfahrungen machen kann wie ein Einsiedler. Mitten in Bochum.

Es soll ein Ort sein, an dem Menschen Gott begegnen und eine spirituelle Erfahrung machen können, wie ein Einsiedler. Noch sieht das große Zimmer im Glockenturm der Propsteikirche St. Peter und Paul jedoch nicht danach aus. Propst Michael Ludwig und Gemeindeassistentin Natallia Charnichenka können sich aber schon die geplante Turmklause ganz genau vorstellen.

Dort ist das Fenster der Turmklause, in der Gäste bald übernachten.
Dort ist das Fenster der Turmklause, in der Gäste bald übernachten. © Ingo Otto

Ein Bett, ein Sessel sowie Tisch und Stuhl zum Schreiben sollen hinein, auch Bücher. All das wird die angestaubten Vitrinengestelle ersetzen, die jetzt noch daran erinnern, das dort früher, vor Jahren, ein kleines Museum war. Die ausgestellten Gewänder und Kelche sind längst wegen neuer Brandschutzbestimmungen gewichen. „Das Kuhstalllicht kommt auch noch weg“, sagt Charnichenka und blickt zu den Lampen, die von der hohen Decke baumeln. Auch eine Campingtoilette wird noch aufgestellt, damit niemand nachts schlaftrunken runter in die Sakristei muss, wo Toilette und eine Dusche sind.

„Alle finden das gaga“

„Wir erzählen unsere Idee überall rum, und alle finden das gaga“, sagt Ludwig und schmunzelt. Von dem Konzept hat er vor gut einem Jahr gelesen, der Mariendom in Linz lädt seit 2009 Gottsuchende zum Übernachten in ihren Turm. Die Bochumer Turmklause an der Unteren Marktstraße soll aber keine Kopie werden, sondern ein einzigartiges Angebot. „So eine Einsiedelei mitten in der Innenstadt gibt es nirgendwo“, ist der Propst überzeugt und konnte das Ruhrbistum von dem Projekt überzeugen. Mit gut 10.000 Euro unterstützt das Bistum die Turmklause.

Für diesen Durchgang ist eine Brandschutztür geplant, durch die man in den Raum über dem Kirchengewölbe und schließlich zum neuen Fluchtfenster gelangt.
Für diesen Durchgang ist eine Brandschutztür geplant, durch die man in den Raum über dem Kirchengewölbe und schließlich zum neuen Fluchtfenster gelangt. © Ingo Otto

Das Geld wird für nötige Umbauten gebraucht, es muss ein Notausgang her. Denn die schmale Wendeltreppe, deren 63 Stufen zurück in die Kirche führen, ist dafür ungeeignet. Im Ernstfall soll der Gast über den Nebenraum, der über dem Kirchengewölbe liegt, entkommen oder gerettet werden. Für den Durchgang ist eine Brandschutztüre vorgesehen, für den Raum selbst eine Notbeleuchtung. Das Fenster darin, das über dem Chorraum liegt, soll ein Fluchtfenster werden, durch das die Feuerwehr in den Turm kommt. Genehmigen muss das noch das Bauordnungsamt, aber Michael Ludwig ist zuversichtlich, dass im Frühjahr die ersten Gäste dort übernachten können.

Es wird Bewerbungsgespräche mit Besuchern geben

„Es soll keine Schlafstätte für alle möglichen Leute werden“, betont Ludwig. Gedacht sei es beispielsweise nicht für auswärtige VfL-Fans, die eine günstige Übernachtung fürs nächste Heimspiel suchen. „Wer für den VfL beten will, für den ist die Kirche natürlich offen“, sagt der Priester. Besuchen sollen die Turmklause vielmehr all diejenigen, die eine „religiöse Erfahrung machen oder für sich und Gott eine Auszeit haben wollen“ – ganz unabhängig von der Konfession.

Der Weg hoch von der Kirche in den Glockenturm ist steil und eng. 63 Stufen führen zur Turmklause.
Der Weg hoch von der Kirche in den Glockenturm ist steil und eng. 63 Stufen führen zur Turmklause. © Ingo Otto

Bevor Interessierte die Klause buchen, führen sie ein Bewerbungsgespräch mit den Projektbeteiligten über die Motivation und den Anlass ihres besonderen Kurzurlaubs. Alleine lassen will das Team die Einzelgäste während ihres Aufenthalts jedoch nicht. Es bieten täglich vertrauliche Gespräche und Seelsorge an. Zumal noch niemand weiß, wie es ist, nachts allein in der Propsteikirche zu sein und in der Klause zu übernachten. Die Glocken schlagen alle Viertelstunde, sind im Turm aber leiser als man vermuten würde, doch mehrmals am Tag gibt es ein lautes, volles Geläut.

Dennoch geht es bei diesen speziellen Kirchenbesuchen vor allem um Ruhe, Besinnung und Schweigen. „Man reflektiert sich selbst“, sagt die Theologin Natallia Charnichenka, die dies durch das Klosterleben erfahren hat.

Ob künftige Gäste in der abgeschiedenen Turmklause, mitten in der Innenstadt, sich selbst besser kennenlernen oder Gott näherkommen, Propst Michael Ludwig und sein Team um Natallia Charnichenka sind zuversichtlich, dass das neue Angebot der Gemeinde für viele Menschen ein Gewinn sein wird.

>>> Interessierte können sich in der Propstei melden

  • Wer in der künftigen Turmklause der Propsteikirche (Untere Marktstraße 9) einige Zeit in Einsamkeit und mit Schweigen verbringen möchte, kann sich bereits jetzt melden: 0234/ 1 47 15, turmklause@propstei-bochum.de
  • Ein einwöchiger Aufenthalt soll 100 Euro kosten, ein Wochenende 40 Euro. Einfache Verpflegung, aus einem benachbarten Krankenhaus, gibt es auf Wunsch für 15 Euro pro Tag. „Es soll aber nicht am Geld scheitern“, sagt Propst Michael Ludwig in Hinblick auf arme Menschen.
    Zusatzangebote wie Gebete, Beichtmöglichkeiten, Kirchführungen oder Besuche der Messen sind geplant.