Bochum. . Eine Bochumer Mutter setzt sich für ein neues Betreuungsmodell ein. Es soll sicherstellen, dass Alleinerziehende in Vollzeit arbeiten können.

15.30 Uhr. Später darf es nicht werden. Um 15.30 Uhr muss Kirsten Holte die Arbeit Arbeit sein lassen, ins Auto springen – hoffentlich ist nicht wieder irgendwo eine Baustelle und die Straße dicht – und die Schule ihrer kleinen Tochter ansteuern, wo um 16 Uhr die OGS-Betreuung endet. Käme Mama zu spät, würde man die Siebenjährige zwar nicht wegschicken, sondern in der Bücherei „parken“, aber darauf ankommen lassen will Kirsten Holte es nicht. „Die Vorstellung, nicht rechtzeitig bei der Betreuung zu sein, ist der Horror für mich“, sagt die 49-Jährige.

Schichtdienst ist kaum möglich

Kirsten Holte arbeitet als Leiterin einer Jugendhilfeeinrichtung, in Teilzeit. Mehr ist nicht möglich, weil die alleinerziehende Mutter in einem Beruf, der eigentlich Schichtdienste vorsieht, nur während eines recht engen Zeitfensters zur Verfügung steht. Frühdienste? Nachtdienste? Termine am frühen Morgen? Da müssen die Kollegen einspringen. „Ich würde sehr gern aufstocken“, sagt Kirsten Holte, „aber das ist mit dieser Betreuungssituation einfach nicht möglich“.

An dieser Stelle kommt Ute Durchholz ins Spiel. Die Bochumerin, selbst alleinerziehende Mutter eines sechsjährigen Sohnes, hat im Oktober eine Onlinepetition gestartet, in der sie eine bessere Kinderbetreuung während der sogenannten Randzeiten, also außerhalb der gängigen Betreuungszeiten von Kita und Grundschulen, fordert. Dabei hat sie ein konkretes Projekt im Sinn, das der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) konzipiert hat: „Sonne, Mond, Sterne“ soll Betreuungslücken schließen, indem speziell geschulte „Kinderfeen“ zum Beispiel frühmorgens, spätabends, nachts oder am Wochenende die Betreuung im Haushalt der Eltern übernehmen. In Essen wurde das Projekt nach einer Erprobungsphase in diesem Jahr als dauerhaftes Angebot etabliert.

Bei „Sonne, Mond, Sterne“ gehe es keinesfalls darum, den Eltern Überstunden zu ermöglichen, betont Ute Durchholz. Vielmehr solle sichergestellt werden, dass auch Alleinerziehende ihren Beruf in Vollzeit oder zumindest existenzsichernd in Teilzeit ausüben könnten. Eine Bekannte etwa finde in ihrer Branche keinen Job, weil dort regulär bis 18 Uhr gearbeitet werde, sie ihr Kind aber bereits um 16.30 Uhr von der Betreuung abholen müsste.

Zu wenig Geld trotz festem Job

In Bochum beziehen derzeit 3497 Alleinerziehende (Stand: Juli 2018) Sozialleistungen – überwiegend Frauen, wie der Sprecher des Bochumer Jobcenters, Johannes Rohleder, mitteilt. 963 sind auf die finanzielle Unterstützung angewiesen, obwohl sie berufstätig sind.

Die Stadt hat gegenüber Ute Durchholz Gesprächsbereitschaft signalisiert. In einigen Wochen soll es einen Termin geben. „Ausschließen tun wir überhaupt nichts“, sagt der stellvertretende Jugendamtsleiter Jörg Klingenberg. Natürlich müsse ein solches Projekt zu den vorhandenen Strukturen passen, insbesondere die Fachlichkeit der Betreuer sei ihm in diesem Zusammenhang wichtig. Grundsätzlich aber verspricht Klingenberg: „Alles, was die Situation verbessern könnte, schauen wir uns an.“

>>Neun Stunden sind das Maximum

Fast alle 180 Kitas in Bochum bieten derzeit laut Auskunft des Jugendamtes eine acht- bis neunstündige Betreuung an. Dabei werde bei den städtischen Kitas eine Bandbreite von 7 bis 17 Uhr abgedeckt, sagt der stellvertretende Jugendamtsleiter Jörg Klingenberg.

Jörg Klingenberg, stellvertretender Leiter des Jugendamts
Jörg Klingenberg, stellvertretender Leiter des Jugendamts © Walter Fischer

Man schaue in den jeweiligen Einrichtungen immer darauf, wann die meisten Eltern Bedarf hätten und passe die Zeiten entsprechend an, so dass in einer Kita beispielsweise von 7.30 bis 16.30 Uhr, in einer anderen von 7 bis 16 Uhr betreut werde. Ausnahmsweise könne die Betreuungszeit in Einzelfällen auf 9,5 Stunden ausgedehnt werden, mehr als die üblichen neun Stunden sei aber in der Regel nicht finanzierbar. Ein ausgewiesenes Ziel der Bochum-Strategie ist allerdings, künftig in jedem Stadtbezirk bei mindestens einer „flexiblen“ Kita erweiterte Betreuungszeiten von mehr als neun Stunden zu gewährleisten.

An den Grundschulen beginnt die Betreuung überwiegend um 7.30 Uhr und später, nur an fünf Schulen würden Kinder bereits ab sieben Uhr betreut, so Klingenberg. Geöffnet sei dort aber maximal bis 17 Uhr; eine Betreuungszeit von mehr als acht Stunden sei nicht möglich.

Für die Randzeiten, etwa am sehr frühen Morgen oder in den Abendstunden, stehen in Bochum die Tagesmütter und -väter zur Verfügung. Laut Jörg Klingenberg wird es allerdings zunehmend schwieriger, für diese Art der Betreuung jemanden zu finden.