Bochum. Im Schnitt gibt es in Bochum, Herne und Witten am Tag fünf Vermisste. Probleme bereitet der Polizei der Datenschutz – und jugendliche Ausbrecher.

Die wenigsten Fälle schaffen es in die Öffentlichkeit, doch auf den Schreibtischen der Polizeibeamten im KK 12 landen im Schnitt täglich fünf Vermisstenfälle – rund 1800 sind es im Jahr in Bochum, Herne und Witten. Die Zahlen für die einzelnen Städte werden nicht ausgewiesen. „Die meisten kommen zeitnah zurück“, sagt Dienststellenleiter Georg Stenzel, „also bis zum nächsten Tag“. Aber es gibt auch solche, die seit Jahren nicht zurückkehren – oder nie. Als vermisst gilt, wer seinen gewohnten Lebensraum verlassen hat, dessen Aufenthalt unbekannt ist und bei dem Gefahr für Leib oder Leben besteht.

Senioren verschwinden aus Heimen

Michael Kreggenfeld kümmert sich um diese Fälle. „Die meiste Arbeit bereiten uns Jugendliche, die immer wieder ausbrechen“, sagt er. Viele leben in Wohngruppen, gehen abends unerlaubterweise aus, kommen erst am nächsten Tag wieder, um dann erneut zu verschwinden – oft mehrmals am Wochenende.

„Wir lassen in diesen Fällen die Leine lang“, sagt Kreggenfeld, „sonst würde die Suche den ganzen Apparat lahmlegen“. Solche Vermisste halten von den eigentlichen Fällen ab. Kreggenfeld ist erschrocken darüber, wie respektlos diese Jugendlichen sind, wie sie Katz’ und Maus’ mit den Beamten spielen. „Die finden es spannend, wenn die Polizei dabei ist.“

Ältester Fall stammt aus den 1980er Jahren

Ebenfalls oft verschwinden ältere Menschen aus Pflegeheimen. Zunächst wird dann die direkte Umgebung durchsucht. Gerade Kinder und Senioren hätten einen geringen Radius, in dem sie sich bewegen. Oft gelingt das Auffinden dann schnell, wenn nicht, gehen die Ermittlungen weiter – mit dem Hubschrauber, mit Spürhunden, mit Recherchen im Umfeld.

Angehörige müssen Fotoveröffentlichung zustimmen

Ob eine Vermisstenmeldung mit einem Foto an die Presse gegeben wird, entscheiden immer die Angehörigen.

Georg Stenzel weist auch auf die Nachteile hin: „So schnell, wie sich Bilder heute verbreiten, weiß jeder, wer vermisst wird.“ Das hilft zwar bei der Suche, kann aber dem Vermissten später unangenehm werden.

Schwierigkeiten bereitet den Ermittlern die neue Datenschutzverordnung. Ist ein Mensch suizidgefährdet? Das lässt sich am besten im Gespräch mit dem zuständigen Arzt herausfinden – aber der verweist oft aus Unsicherheit auf den Datenschutz. Ebenso Krankenkassen und Kliniken.

Neben den täglichen aktuell Verschwundenen gibt es im Polizeigebiet elf Langzeitvermisste. Als solcher gilt, wer mehr als zwei Monate verschwunden bleibt. Der älteste Fall stammt aus den 80er Jahren. Es sind Fälle wie die des über 30-jährigen Mannes, der vor zwei Jahren verschwand und ein Jahr später wieder aufgetaucht ist, die Michael Kreggenfeld und Georg Stenzel besonders in Erinnerung bleiben.

Lange Vermisstensuche

Skurril war vor Kurzem der Fund eines Oberschenkelknochens im Schweizer Gebirge. Daneben lag ein Rucksack, darin ein Fahrschein von 1965, abgestempelt in Witten. Eine Vermisstensuche aus der Zeit hat die Polizei allerdings nicht in den Akten. Ein weiterer Fall, der sich bei Michael Kreggenfeld eingebrannt hat, ist der einer verschwundenen Frau. Sie ging in die Ruhr, um sich selbst zu töten. Taucher durchdrangen das Wasser, Spürhunde wurden eingesetzt. Erst sechs Wochen später spülte der Fluss die Leiche an die Oberfläche. Für die Angehörigen sind solch lange Suchmaßnahmen zermürbend – aber auch für den Sachbearbeiter. „Das sind so Fälle, da will man selbst unbedingt die Lösung finden.“