Bochum. Mit großen Schritten geht die Bochumer Justiz ins digitale Zeitalter. Schon fünf Zivilkammern arbeiten hauptsächlich mit der „eAkte“.

Das Papier hat in der Bochumer Justiz keine große Zukunft mehr. Diese gehört vielmehr der elektronischen Akte, der „eAkte“. Ab nächster Woche werden sogar fünf Zivilkammern des Landgerichts rechtsverbindlich nicht mehr mit der Papierakte, sondern mit der eAkte ihre Verfahren betreiben.

Das Bochumer Landgericht kündigte dies gestern mit prominenter Besetzung an. NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) erschien im Justizzentrum. „Wir haben hier nicht nur ein tolles Gerichtsgebäude, sondern auch eines der führenden Gerichte, die mit der eAkte arbeiten“, sagte der Minister.

Ab 2026 soll es kein Papier mehr geben

In gut sieben Jahren wird das für alle Justizbeschäftigte und natürlich auch alle Rechtsanwälte der normale Alltag sein. „Ab 2026 gibt es nach dem Gesetz in der Justiz bundesweit kein Papier mehr“, erklärte Biesenbach.

Vor zwei Jahren hatte das Bochumer Landgericht als NRW-Pilotgericht damit begonnen, den elektronischen Rechtsverkehr und somit auch die eAkte in den Geschäftsbetrieb zu integrieren. Los ging es zunächst mit zwei Zivilkammern. Heute arbeiten bereits alle 16 Zivilkammern entweder ganz oder teilweise mit der eAkte. Fast 65 Prozent aller Zivilverfahren am Landgericht werden bereits auf elektronischem Wege betrieben. Zurzeit laufen insgesamt 2425 „eVerfahren“. Schon 86 Justizbeschäftigte blättern nicht mehr, sondern klicken in den Akten. Sie sind noch in der Minderheit. Nach und nach werden sie in der Mehrheit sein.

Landgerichtspräsident Hartwig Kemner, Justizminister Peter Biesenbach und Ministeriumspressesprecher Dirk Reuter (v.li.).
Landgerichtspräsident Hartwig Kemner, Justizminister Peter Biesenbach und Ministeriumspressesprecher Dirk Reuter (v.li.). © Dietmar Wäsche

„Immense Chancen“

Der elektronische Rechtsverkehr eröffne „immense Chancen“, erklärte Biesenbach. Er baue Bürokratie ab und bringe Tempo. Anwälte etwa erhielten so eine zügigere Akteneinsicht, per Knopfdruck. Trotzdem weiß er, dass die Digitalisierung der Justiz noch viel interne Überzeugungskraft benötigt. Er kenne „glühende Fans“ der eAkte, aber auch solche Mitarbeiter, die sagen: „Oh, wie soll ich das schaffen? Ich habe mich so an Papier gewöhnt.“ Der Minister aber will „Lust wecken“, die Digitalisierung „mache das Arbeitsleben leichter“.

Von morgens bis abends wird gescannt

Der Aufwand für die Umwandlung ist gewaltig. Um alle Akten zu digitalisieren, wird von morgens bis abends Papier gescannt. Dafür sind elf Wachtmeister geschult worden. In einem Raum neben der Kantine sitzen sie an Hochleistungsscannern. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn alles muss sorgfältigst sortiert werden. Fehler in der eAkte wären auch psychologisch verheerend, denn bei sehr vielen muss erst Vertrauen nicht nur in die Zuverlässigkeit des elektronischen Rechtsverkehrs gewonnen werden, sondern auch in die Sicherheit.

„Bisher gibt es keinen Sicherheitsvorfall, weil wir gut aufgestellt sind“, sagt Jost-Michael Kausträter, Leitender Ministerialrat im Justizministerium. Die Justiz habe ein eigenes Rechenzentrum, das nur von justizeigenen Mitarbeitern überwacht werde. Viele Millionen Euro würden in die Sicherheit gesteckt. Biesenbach: „Wir lassen keinen anderen in unsere Systeme.“ Er weiß aber auch: „Natürlich werden wir angegriffen werden.“

>> IM STRAFRECHT HINKT E-AKTE HINTERHER

Im strafrechtlichen Bereich ist die Umstellung auf den elektronischen Rechtsverkehr noch bei weitem nicht so weit wie im zivilrechtlichen. Nur bei großen Wirtschaftsstrafverfahren wird die eAkte bereits genutzt. In ihr soll ein schnelleres und übersichtlicheres Navigieren möglich sein, mit Markierungsmöglichkeit.

Anwälte können ab 2021 ihre Post nur noch digital ans Gericht senden. Schon heute sollen sie das „besondere elektronische Anwaltspostfach“ benutzen.