Bochum. . Eine 150 Jahre lange Geschichte endet. Die Uhle macht zu. Familie Uhlenbruch und eine spezielle Tiersammlung sind mit dem Lokal eng verbunden.
Brigitte Streberg schaut ernst. Leicht fällt ihr der Abschied von der Uhle nicht. Die 86-Jährige nimmt ihr Alter zum Anlass, die traditionsreiche Gastwirtschaft Anfang 2019 aufzugeben. Sie zeigt eine Fotografie von 1922. Auf den ersten Blick mag der Betrachter kaum glauben, was dort zu sehen ist: Deckenhoch aufgestockte Glasvitrinen schmückten den Gastraum, der sich damals noch bis hinüber zur Hauptsparkasse zog.
In den Glaskästen standen ausgestopfte heimische und exotische Tiere. Löwe, Jaguar, Leopard und Panther, aber auch eine arrangierte Eichhörnchengruppe, die Billard spielte. Jeder Fremdenführer empfahl seinerzeit das Restaurant als Bochumer Attraktion. Die Zoologische Sammlung soll 93 Säugetiere und 586 Vögel umfasst haben, berichtet Professor Werner Kleine, Enkel von Ottilie Uhlenbruch. Sie bewirtschaftete den Familienbesitz bis 1963. Mit 70 Jahren verpachtete sie das gutbürgerliche Restaurant an Brigitte und ihren Mann Werner Streberg. „Mein Mann hatte früher seine erste Stelle in der Uhle. Sie sagte zu ihm: ,Ich habe Sie noch in guter Erinnerung’“, sagt Brigitte Streberg.
Schulklassen schauten sich die Schaukästen an
Zurückgekehrt aus Kanada baute sich das Ehepaar eine Existenz auf. Seit dem Tod ihres Mannes 2010 führt die gebürtige Schwäbin den Betrieb alleine. Die gelernte Graveurin eignete sie sich das gastronomische Fachwissen nach und nach selbst an.
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Anstreicher und Glaser Ferdinand Uhlenbruch gründete das Lokal nachweislich 1867. Sein Erbe Theodor Uhlenbruch vergrößerte den Betrieb und begann ab etwa 1890 mit der Sammlung der Tiere. „Die Familie war sehr katholisch. Er spendete den Steyler Missionaren relativ viel. Über den Orden ist er wohl an die Exoten gekommen“, sagt Professor Kleine, der heute bei Freiburg wohnt. Die ausgestopften Tiere waren für viele Besucher bis hin zu Schulklassen eine Sehenswürdigkeit.
Die alte Tiersammlung ist verschollen
Warum heute nur noch zwei Uhus übrig sind, weiß der Bochumer Bernd-Ulrich Lammers, Ur-Enkel einer Uhlenbruch: „Die Tiersammlung wurde vor den Bombenangriffen ausgelagert nach Gütersloh. In den 50er Jahren kam es, wegen unterschiedlicher Preisvorstellungen, nicht zum Verkauf an die Stadt Bochum.“ Es handelte sich, laut Lammers Recherchen, um einen Schätzwert von 200 000 bis 250 000 Deutsche Mark. „Das mit der Sammlung ist ein Drama“, sagt Werner Kleine. Die ausgestopften Tiere seien quasi verschollen, teils geklaut oder verrottet.
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Bei den Bombenangriffen auf Bochum 1943 und 1944 wurde das Gasthaus zerstört. Ottilie Uhlenbruch musste den Tod ihres Mannes Ferdinand Uhlenbruch 1943 sowie zwei gefallene Söhne und den Verlust ihres Hab und Guts verkraften. „Sie war eine starke, durchsetzungsfähige Frau, aber auch geprägt von den Schicksalsschlägen“, so Kleine über seine Großmutter, die das Traditionslokal wieder aufbaute.
Der Hausmannskost mit Grünkohl, Eisbein und Pfefferpotthast blieb auch das Ehepaar Streberg weitestgehend treu. Was die Seniorin ab Mitte Januar mit ihrer Energie anfangen will, weiß sie heute noch nicht ganz so genau. Aber ein gemeinsames Haus mit ihrer Schwester im Eggegebirge und eine weitere Schwester in der Schweiz bieten sich zu ausgiebigen Reisen an.
„Irgendetwas wird mir schon einfallen“, sagt Streberg. „Und wenn ich bei der Tafel Essen ausgebe.“
>>> Auch das kleine Außenbüdchen wird schließen
Auch das bei vielen in der Innenstadt arbeitenden Berufstätigen sehr beliebte kleine Außenbüdchen der Uhle am Dr.-Ruer-Platz, an der es zum Beispiel zünftigen Grünkohl gibt, wird schließen.
Wer ein weiterführendes Interesse an der Geschichte der Uhle hat, kann sich an Bernd-Ulrich Lammers wenden, der ein rund 50-seitiges Heftchen zur Geschichte der Gastronomie erstellt hat. Tel. 0234/43 21 05.