Dem Theater Total gelingt eine mitreißende Inszenierung des Shakespeare-Klassikers. Die jungen Schauspieler werfen sich sportlich in ihre Rollen.
Nach seiner Deutschlandtournee brachte das junge Ensemble von Theater Total Shakespeares Klassiker „Romeo und Julia“ zurück auf die Bochumer Bühne.
Ist es nicht ein „altes Lied“, das Romeo und Julia um ihre Liebe kämpfen und mit dem Leben bezahlen müssen? Und ist das Stück mit seinen Liebesschwüren nicht zum Abziehbild der tragischen Liebe erstarrt? Was hat uns dieser Shakespeare heute noch zu sagen?
In einer weitgehend modernen Übersetzung, die Shakespeares bilderreiche Sprache beachtet, gewann die Inszenierung das Publikum für sich. Die Präsenz des großen Ensembles von fast 30 Jungschauspielern zeigte Wirkung: in ganzen Clans der verfeindeten Familien traten die Schauspieler auf, kreierten so die angespannte Situation der verfeindeten Familien.
Betonte Körperlichkeit
Wo in Shakespeares Drama ein falscher Nachname bereits Lebensgefahr bedeuten kann, bricht in der Inszenierung von Barbara Wollrath-Kramer offene Gewalt aus. Mit großem körperlichen Einsatz der (sehr sportlichen) Schauspieler um die 20 Jahre wurde nicht nur gedroht, hier eskalierten Situationen, hier zeigte sich Gewalt – ausgedrückt durch martialisch anmutendem Tanz (Einstudierung: Bellal Safi) oder im Florett-Gefecht. Bei aller Hochachtung vor dieser Leistung: noch mehr Tanz hätte der schwere, dramatische Stoff wohl nicht vertragen. Mit ihrer Betonung auf Körperlichkeit und mittelalterlich anmutende Kostüme (Lena Marin) lässt die Inszenierung fast ans Fantasy-Sujet denken.
Info Theater Total
Theater Total ist ein in Bochum beheimatetes Off-Theaterprojekt für jugendliche Laien zwischen 18 und 28 Jahren, die unter professioneller Anleitung für neun Monate als Theater-Kompagnie zusammenarbeiten.
Der jeweilige Jahrgang arbeitet in allen Bereichen einer professionellen Theaterproduktion von der Inszenierung über die Bühnentechnik und den Verkauf bis hin zur Durchführung der Aufführungen zusammen.
Das Theater Total hat mit seiner Regisseurin Wollrath-Kramer auf der (für ein Laien-Ensemble) sehr großen Bühne in der Albertus-Magnus-Kirche mit stimmigen Bildern gesprochen. Die für die Regisseurin typischen rollenden Podeste als einziges Bühnenbild schaffen immer neue Räume: sie lassen Julia in der Balkonszene als ferne Geliebte erscheinen, symbolisieren Standesunterschiede und stilisieren das Leben als Balance-Akt am Abgrund.
Maxim Kurze gibt den Romeo mit so beeindruckender Physis, dass sein Scheitern fast unglaubwürdig wird. Julia (Marie Bretschneider) legt einen Hauch von Weisheit über ihr Spiel. Madeleine Forst sorgt als Amme für den Comic-Einschlag und sticht doch mit ihrer schrulligen Art aus der Inszenierung heraus. Ebenso beeindrucken Leon Brüggemann (Pater Lorenzo) und Olaf Brandt (Mercutio).
In einem Jahr harter Theaterarbeit ist aus einem alten Schinken ein stimmig gestaltetes Bühnenstück entstanden. Das tragische Ende des berühmtesten Liebespaares der Literaturgeschichte zeichnet Barbara Wollrath-Kramer mit größter Poesie und Anmut.