Bcchum. . Die Selbsthilfegruppe richtet sich an junge Krebsbetroffene zwischen 18 und 40 Jahren. Ihnen sind andere Themen wichtig als älteren Erkrankten.

Als Marina Anfang 2016 die Diagnose Brustkrebs bekam, stellte sie sich immer wieder die Frage: „Warum ich?“. Nach der Reha erkannte sie, dass diese Frage sie nicht weiterbringt und fragte stattdessen: „Was kann ich in Zukunft tun und wie gehe ich mit der Diagnose um?“. Die damals 36-Jährige machte sich auf die Suche nach einer Selbsthilfegruppe. „Ich habe einige Gruppen kennengelernt, aber mich nicht wirklich zuhause gefühlt“, sagt Marina, die als Sachbearbeiterin in der Druckindustrie arbeitet und auch Mutter ist.

Das lag vor allem daran: „Die anderen Teilnehmer waren einfach viel älter, es war schwer, ein gemeinsames Thema zu finden“, blickt sie zurück. Denn Marina beschäftigten Fragen zur Familienplanung, zur Jobsuche und zum Arbeitsplatz, während für ältere Betroffene andere Dinge im Vordergrund standen. „Also habe ich mich auf den Weg zur Selbsthilfe-Kontaktstelle gemacht und Ende 2016 selbst eine Gruppe gegründet“, sagt sie mit derselben Entschlossenheit wie damals.

Auch Partner kommen mit

Ihre Erwartungen waren klar: Ein niedrigschwelliges Angebot für Gleichgesinnte, ein unverbindlicher Austausch bei einer Cola an der Bar. „Ich wollte Kontakt außerhalb des Internets, das fühlte sich zu distanziert an“, erklärt sie.

Offen ist die Selbsthilfegruppe für alle Krebsarten. „Die Diagnose bringt Menschen in die gleiche Situation und bedeutet einen ähnlichen Leidensweg. Dabei ist die Krebsart egal“, sagt Marina. Mit dabei sind auch regelmäßig Angehörige, die Marina „Mitbetroffene“ nennt. „Ich finde es wichtig, zum Beispiel seinen Partner einzubeziehen. Zwar bekommt nur einer die Diagnose Krebs, aber es verändert die ganze Familie“, weiß sie.

Keine vorgegebenen Themen

Bei den monatlichen Treffen (jeder zweite Donnerstag) im „Altenbochumer Hof“ ist die Atmosphäre trotz schwieriger Fragen locker. „Wir sprechen über Medikamente, aber auch über den Umgang mit Arbeitskollegen oder die Frage, wie man sich attraktiv fühlen kann“, berichtet sie. „Aber natürlich auch über alles Mögliche“, ergänzt sie. Denn der Krebs ist zwar ein Teil der Betroffenen, von ihm bestimmen lassen wollen sie sich aber nicht. Es gehe gar nicht immer um konkrete Infos, die könne man auch beim Arzt erfragen, sondern um das Gefühl des gegenseitigen Verständnisses.

Mitglieder treffen sich jeden zweiten Donnerstag

Die Selbsthilfegruppe trifft sich jeden zweiten Donnerstag um 19.30 Uhr im „Altenbochumer Hof“ (Wittenerstraße 236). Infos zu den nächsten Treffen gibt es über die Selbsthilfe-Kontaktstelle des Paritätischen.

Bei jungen Erwachsenen ist das Spektrum an Krebserkrankungen anders als bei älteren Patienten. Häufig handelt es sich um Erkrankungen mit einem hohen Heilungspotential, die allerdings einer intensiven Therapie bedürfen. Dabei kommen verschiedene Therapieformen, wie Chemo-, Immun- und Strahlentherapie zum Einsatz.

Empfehlenswert ist die Internetseite www.junge-erwachsene-mit-krebs.de – sie bietet zum Beispiel Experteninterviews, Projekte, Treffen und Forschungsinitiativen.

Die Treffen der Selbsthilfegruppe sind oft unterschiedlich stark besetzt, mal kommen nur drei, mal acht Teilnehmer. „Viele sind nicht immer fit, sehr mit sich selbst beschäftigt und brauchen ihre Zeit“, weiß Marina. Sie müssten erst einmal den Weg durch die Therapien suchen und hätten keinen Kopf für weiteres. Das ist aber kein Problem, denn die Gruppe arbeitet nicht an vorgegeben Themen. Ein Wiedereinstieg ist also zu jeder Zeit möglich.

Gruppe sucht weitere Mitglieder

„Trotzdem suchen wir natürlich weiterhin interessierte Mitglieder“, sagt die 38-Jährige. Auch eine neue Gruppenleitung würde sie sich langfristig wünschen, denn in zwei Jahren erreicht sie die selbstgesetzte Altersgrenze. „Heute gelte ich als geheilt, meine Diagnose liegt mehr als zwei Jahre zurück“, freut sich Marina. Bei der Selbsthilfegruppe bleibt sie trotzdem. „Es sind immer noch Gleichgesinnte und wir teilen viele Erfahrungen, das hängt nicht vom Krankheitsstadium ab“, sagt sie. Der Krebs ist immer noch ein Teil von ihr – heute allerdings als Gegner, den sie besiegt hat.

„Unglückliche Zufälle gibt es auch im jungen Alter“ 
 

Prof. Dr. Dirk Behringer ist Chefarzt der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin der Augusta-Krankenanstalt.

Gibt es Krebserkrankungen, die typischerweise bei jungen Menschen auftreten?

Prof. Behringer: Ja. Dazu gehören Hodgkin-Lymphome, also Lymphdrüsenkrebs, urologische Tumore wie Hodenkrebs und bestimmte Weichteiltumore. Man muss aber berücksichtigen: Je häufiger Tumore im Allgemeinen vorkommen, desto öfter sehen wir diese Arten auch bei jungen Menschen. Brustkrebs ist beispielsweise eine der häufigsten Krebsarten, das spiegelt sich dann in der jungen Altersklasse wider. Ob bestimmte Krebsarten zunehmen, ist schwierig zu beantworten, weil die verbesserten Früherkennungsmöglichkeiten die Zahlen beeinflussen.

Was sind die besonderen Herausforderungen für junge Krebsbetroffene?

Die Lebensperspektive eines Menschen ist abhängig von seinem Alter. In der eigenen medizinischen Arbeit aber auch aus der Literatur habe ich gelernt, dass die Verarbeitung einer Krankheit und ihre Begleitung seitens der Ärzte dadurch beeinflusst ist.

Ein alter Mensch fragt sich vielleicht häufiger, was er rückblickend hätte anders machen können, um den Lungenkrebs nicht zu bekommen und bereut das jahrzehntelange Rauchen.

Junge Betroffene könnten sich beispielsweise vermehrt fragen, was ihnen durch die Krankheit in Zukunft vorenthalten bleibt, Stichwort Familien- und Karriereplanung. Selbsthilfe erfüllt hier viele Anforderungen, die Ärzte und medizinisches Personal nicht leisten können. Manche Patienten trauen sich, sich in diesem geschützten Raum mehr zu öffnen als dem Arzt gegenüber. Gerade deshalb arbeiten wir mit den Selbsthilfegruppen eng zusammen und sind bereits seit 2012 als selbsthilfefreundliches Krankenhaus anerkannt.

Wie unterscheidet sich die medizinische Behandlung bei jungen Krebsbetroffenen?

Bei jungen Menschen können wir in vielen Fällen aggressivere Therapieformen wählen als bei älteren Betroffenen.

Junge Menschen haben in der Regel einen fitteren körperlichen Allgemeinzustand, während ältere Patienten oft Begleiterkrankungen mitbringen. Dort müssen wir mit unseren Mitteln dann etwas zurückhaltender sein.

Kann man Krebs im jungen Alter vorbeugen?

Eine Krebsentstehung ist eine Verkettung unglücklicher Umstände. Unsere Körper sind ständig mit Abbau- und Aufbauprozessen befasst – über Darmschleimhaut bis Blutkörperchen – dabei treten auch Fehler auf, wodurch Tumoren entstehen können. Je länger ein Mensch lebt, desto höher ist das Risiko, dass solche ungünstigen Zufälle auftreten. Das Risiko dafür ist bei jungen Menschen geringer, aber das ist eine statistische Aussage. Die Gebote der Krebsprävention, wozu Bewegung, gesunde Ernährung, Nichtrauchen und Verzicht auf Drogen zählen, machen in jedem Alter Sinn. Prävention ist eine Haltung, die am besten schon im Kindesalter vermittelt wird.