Bochum. Romy Schmidts Ära im Prinz-Regent-Theater endet. Eine böse-intelligente Annäherung an den mittelalterlichen Schalksnarren ist ihr Abschiedsgruß.
Zum Abschluss lässt es das Team Romy Schmidt am Prinz-Regent-Theater nochmal krachen: die letzte große Premiere „Beruf: Eulenspiegel“ verwandelt das Theater für knapp zwei Stunden in ein Tollhaus, das mit Gags und Geschmacklosigkeiten sich selbst und die jüngere Geschichte des Hauses aufs Korn nimmt. Eulenspiegel hätte an diesem zotigen Spektakel womöglich seine Freude gehabt: Er ist ein Schalksnarr, und doch hat er die Wahrheit gesagt.
Kunst erhebt Widerspruch
Der mittelalterliche Possenreißer mit den Eselsohren hockt grinsend über Schmidts Inszenierung, die die scheidende Direktorin mit den Schauspielern gemeinsam erarbeitet hat. Die Streiche des historischen Eulenspiegels (ein früher Anarcho, wenn man so will), werden allerdings nicht nacherzählt – auch wenn die Schuhe, die das Publikum ausziehen darf, und die sich als großer Haufen auf der Bühne wiederfinden, an die bekannte Geschichte erinnert, wie Till einst mittels Schuh-Diebstahl ein ganzes Dorf durcheinander wirbelte.
Stark fäkalischer Humor
„Haufen“ ist ein gutes Stichwort, denn um ebensolche geht es durchgängig an diesem verrückten Abend. Um Scheiß-Haufen, wohlgemerkt. Ein ästhetisch hübscher Köttel aus braunem, schmiegsamem Plastik ist zentrales Bühnenmittel, um zweierlei auszudrücken: a) dass des Eulenspiegels Humor selbst stark fäkalisch war. Und b) dass auch in unserer heutigen Welt und Zeit allzu viel Sch... passiert, die das Theater und die Kunst zum Widerspruch reizen.
Solche Anspielungen reichen von Orbán bis Erdogan, vom revolutionären Kampf der Stadtguerilla der 70er bis zum Prinz-Regent-Theater selbst. In einer lang & schmutzig ausgespielten Szene gründen die drei Bühnen-Eulenspiegel als „typisch deutsche Vereinsmeier“ einen „Kack-Verein“, für den sie eine „Scheiß-Satzung“ entwerfen, die den „Beschiss“ als Vereinszweck festschreibt...: Bitterer Seitenhieb auf den PRT-Theaterverein, der Schmidt & Co. nach einem Riesen-Krach die Vertragsverlängerung verweigerte.
Grenzen überschreiten
Man weiß am Ende nicht recht, was man mehr bewundern soll: die Schauspieler Linus Ebner, Anna Schimrigk und Maximilian Strestik, die sich „volle Lotte“ bis zur Selbstentäußerung in das wilde, ferklige Spiel schmeißen, den genialen Live-Soundtrack von Martin Wldyanata oder den Mut von Romy Schmidt, für die Provokation und Grenzüberschreitung probate Mittel der Kunst sind: „Die Welt ist voller Kerker, aber das Theater kann ein Fenster in diese Kerker sein!“
Bald ist’s vorüber
Man muss nicht mit allen Details dieses überdrehten, auch überfrachteten „Eulenspiegel“-Abends einverstanden sein. Aber man sollte darauf vorbereitet sein, dass es solch’ aggressiv-intelligent gemachtes Theater in Bochum bald nicht mehr geben wird.