Langendreer. . 1893 zog die katholische St.-Marien-Gemeinde Langendreer erstmals zum Fronleichnamsfest durchs Dorf. In der damaligen Zeit ein mutiger Schritt.

Wenn heute in der St.-Marien-Kirche das Fronleichnamsfest inklusive Prozession begangen wird, ist vielen katholischen Gemeindemitgliedern vielleicht nicht bewusst, dass es sich um ein ganz besonderes Datum handelt. Denn ziemlich genau vor 125 Jahren, am 4. Juni 1893, dem Sonntag nach dem Fronleichnamsfest, fand die erste Prozession in der damals noch recht neuen Marien-Gemeinde statt.

Dies hat Gerd Puzicha, das wandelnde Gedächtnis der Gemeinde und Initiator zahlreicher historischer Ausstellungen, im Vorfeld des heutigen Feiertages im Archiv von St. Marien recherchiert.

Von Notkirche zum Friedhof

Gerd Puzicha inmitten der Stellwände, die er für seine zahlreichen Ausstellungen rund um die Historie der St.-Marien-Gemeinde nutzt.
Gerd Puzicha inmitten der Stellwände, die er für seine zahlreichen Ausstellungen rund um die Historie der St.-Marien-Gemeinde nutzt. © Gero Helm

Demnach hatte Pfarrvikar Benedikt Mertensmeyer, der Geistliche der Langendreerer Katholiken zwölf Jahre nach dem ersten Gottesdienst in der neuen Marien-Gemeinde seine „Pfarrkinder“ zur ersten Prozession anlässlich des Fronleichnamsfestes aufgerufen. „Seit der Reformation hatte es in Langendreer sicherlich keine Prozession gegeben. Denn mit Luthers theologischer Entwicklung änderte sich auch seine Einstellung zum Fronleichnamsfest, das sich zu einem konfessionsscheidenden Merkmal entwickelte“, berichtet Gerd Puzicha von seinen Nachforschungen. „Und nun entschlossen sich Seelsorger und Gemeinde im überwiegend protestantisch geprägten Langendreer, eine Fronleichnamsprozession abzuhalten. Sicherlich ein mutiger Schritt.“

Auf dem Friedhof wurde es irgendwann zu eng

So zog die Gemeinde dann auch nur von der Notkirche (auf der Wiese vor der heutigen Kirche) und am Vikariehaus vorbei zum katholischen Friedhof hinter dem Kirchengrundstück. Hier waren die vier Segensaltäre aufgebaut und hier hielt Pfarrvikar Mertensmeyer seine Predigt zum Festtag.

Strenge Reihenfolge bei der ersten Prozession

Über den Inhalt der ersten Fronleichnams-Predigt ist zwar nichts überliefert, wohl aber über die Prozessionsordnung.

Diese sah – ganz dem Geist der Zeit entsprechend – wie folgt aus: Vorweg marschierten die Schulkinder, es folgten die Vereine (Bürgerverein, Polenverein, Gesangverein). Dann das Allerheiligste: zu beiden Seiten Engelchen. Auch bei den Gemeindemitgliedern gab es eine einzuhaltende Reihenfolge: Jünglinge vor Männern vor Jungfrauen und Frauen. Ganz am Ende kamen die Witwen.

Puzicha fand heraus, dass die Prozession bis 1901 auf diese Weise stattfand. „Dann wurde es auf dem Friedhof durch die Gräber einerseits zu eng, andererseits hätte man die Straße überqueren müssen, was man wegen der ,vielen Gaffer’ nicht wollte.“ So ging es nur um die neu gebaute Kirche. Erst 1921 änderte Pfarrer Risse diese Tradition und die Langendreerer Katholiken zogen sonntags mit Musik durch die Straßen.

Nationalsozialisten verboten die Prozession

Im Laufe der Jahre änderten sich natürlich auch die Wege und Stationen der Fronleichnamsprozession von St. Marien. Der Altar in der Roonstraße (ab 1929 Am Küsterland) wurde irgendwann aufgegeben, eine Segensstation auf dem Platz Uhlenwinkel/Lünsender Straße erforderte letztendlich zu weite Wege und war später durch den Abbruch des Hauses und den Bau der S-Bahn nicht mehr möglich. Puzicha: „Auch andere Stationen wie An den Lothen/Lünsender Straße, Bahnmeisterei/Hohe Eiche und Eislebener Straße/Haus Hesse, sind Geschichte.“

Wie viele Prozessionen es bis zur Gegenwart in Langendreer gab, ist laut Puzicha kaum festzustellen: „Mal verbot der Staat, wie unter den Nationalsozialisten, die Prozession, mal machte das Wetter einen Strich durch die Rechnung.“

Seit 1996 ein gemeinsamer Zug

Seit 1925 hatte die St.-Bonifatius-Gemeinde ihre eigene Prozession; später gab es noch Prozessionen bei der St.-Ludgerus-Kirche und auf der Wilhelmshöh in St. Thomas Morus. Seit 1996 ziehen die Langendreerer Katholiken am Fronleichnamsfest wieder gemeinsam durch die Straßen.

In diesem Jahr ist um 10 Uhr der Gottesdienst in der Marienkirche, anschließend startet die Prozession zur Ludgeruskirche mit einer Segensstation am Carl-von-Ossietzky-Platz. Das Archiv St. Marien/St. Ludgerus wird zum Fronleichnamsfest aus den vorhandenen Fotos und Unterlagen einige Bildtafeln zusammenstellen, die dann wieder im Vorraum der Marienkirche zu sehen ist. Verantwortlich dafür ist – natürlich – Gerd Puzicha.