Bochum. . Die türkische Band „Yüksek Tansiyon“ hat ein Konzert in der JVA Bochum gegeben. Es soll der Integration dienen – nicht nur bei den Ausländern.
Eigentlich ist es ein ganz normales Konzert, das die Band „Yüksek Tansiyon“ (übersetzt: hoher Blutdruck) am Freitag spielt: Die vier Musiker geben schönste Rockmusik zum Besten, die Menge klatscht, es herrscht gute Laune. Aber dann sind da noch die vielen Mauern, welche die Besucher von der Außenwelt trennen und die daran erinnern lassen, dass ein musikalischer Abend in der Justizvollzugsanstalt Krümmede eben doch kein Alltag ist.
Ein wenig Leben in die JVA bringen
Initiiert wurde die Veranstaltung im Gefängnis von den Integrationsbeauftragten Çağlayan Atis, Claudia Lange und Monika Lorenz in Zusammenarbeit mit Andreas Lorenscheit, der in der Anstalt für Freizeit und Sport zuständig ist. Es ist ein besonderer Abend, denn er stellt den Auftakt der Integrationsarbeit dar. „Wir haben die Veranstaltung bewusst hinter die ruhige Weihnachtszeit gelegt“, so Lorenz. Mit dem Konzert sollte wieder ein wenig Leben in die JVA gebracht werden.
Das Konzept geht auf: Sitzen die Gefangenen anfangs noch still auf ihren Plätzen, steht schon bald der erste auf und tanzt wild zum Takt der Musik. Richtig ausgelassen wird es an dem Abend zwar nicht, aber die Musiker schaffen es, ein wenig von ihrer guten Stimmung auf das Publikum zu übertragen. Sprechen dürfen die Journalisten nicht mit den Gefangenen, aber ihr Mitklatschen und Mitsingen zeigt, dass die Männer den Auftritt genießen.
Erstaunlich ruhig bei Großveranstaltungen
„Wenn sie sich bewegen wollen, werden wir das im Leben nicht unterdrücken“, erzählt Lorenscheit. Er kennt das Prozedere, ist seit elf Jahren unter anderem für die großen Formate wie Konzerte im Gefängnis zuständig. Dass beim Tanzen nichts passiert, darauf achten sieben Sicherheitskräfte.
Aber der Mitorganisator ist zuversichtlich: Gerade bei Großveranstaltungen wie dieser (knapp 150 Gefangene hören der Band zu) ist es immer erstaunlich ruhig. „Zwei bis drei Menschen können sich schnell zusammenschließen“, erzählt Andreas Lorenscheit. Aber 200 würden sich nie einig. Außerdem ist es eben ein Höhepunkt im Alltag der JVA-Bewohner.
Integration einmal andersrum
Bewusst haben sich die drei Organisatorinnen beim ersten Konzert im Rahmen der Integrationsarbeit für eine türkissprachige Band entschieden: „Wir wollten versuchen, den Spieß bei Integration einmal umzudrehen.“ Hier müssten sich also die nicht-türkischen Gefangenen anpassen. Dementsprechend lange dauerte es, diese für das Konzert zu begeistern. Erst einmal meldeten sich nur die türkischen Häftlinge. Doch mit der Zeit gab es auch andere Interessenten. Am Abend selbst ist das Publikum dann bunt gemischt.
Die Flucht aus dem Alltag dauert nur die Konzertlänge an – dann gehen die Gefangenen zurück in ihre Zellen und werden durchgezählt. Erst dann darf die Band gehen. Was die Rückmeldung angeht, ist sich Lorenscheit schon sicher: „Eigentlich kommt immer die Frage: ‘Warum macht ihr das nicht öfter?’“
>>> INFO: Kulturelle Angebote zur Integration
Die Integrationsbeauftragten sind seit Oktober 2016 in der JVA beschäftigt.
Bei einem Konzert soll es nicht bleiben. Neben klassischen Integrationskursen wollen die Verantwortlichen auch kulturelle Angebote machen.
Die Integrationsarbeit soll präventiv verhindern, dass sich die Häftlinge radikalisieren.