Bochum. . Nach seiner Leukämie-Erkrankung ist Emil (16) wieder wohlauf. Seine Schwester hat ihm das Leben gerettet – und wurde wenig später selbst krank.

Die Helferin brauchte Hilfe. Elf Wochen musste Josephine Schmidt im vergangenen Jahr in einer psychiatrischen Klinik stationär behandelt werden. „Nach der extremen seelischen Belastung bin ich in ein tiefes Loch gefallen“, sagt die 23-Jährige. Inzwischen geht es der Theologie-Studentin wieder gut – so wie ihrem Bruder Emil, dem sie mit einer Knochenmarkspende das Leben gerettet hat.

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„Emil, du bist nicht allein!“ So hieß die Hilfsaktion, die ab Herbst 2016 große Anteilnahme in unserer Stadt auslöste. Der damals 14-jährige Emil war an Leukämie erkrankt. Monatelang bangten die Eltern, die fünf Geschwister, Freunde und Bekannte um Emil. Letztlich war es die große Schwester, die ihrem tapferen Bruder als Spenderin beistehen konnte.

In der Schule läuft es wieder gut

Am 2. März 2017 erfolgte die Transplantation in der Uni-Klinik Essen. Fieberschübe, Ermüdungsbrüche: Wochen und Monate des Leidens folgten. Doch Emil hat’s geschafft. „Die monatlichen Blutwerte sind in Ordnung. Ich fühle mich prima“, sagt der inzwischen 16-Jährige, als ihn die WAZ in dieser Woche daheim an der Lenbachstraße in Weitmar besucht.

Nun ja: Zu den 53 Kilogramm bei 1,70 Meter Körpergröße darf sich gern noch manches Pfund hinzu gesellen. Aber: Seit drei Monaten hat Emil ein Abo fürs Fitnessstudio. In der 10. Klasse der Heinrich-Böll-Gesamtschule hat er sich an den aktuellen Lernstoff herangekämpft, musste das Schuljahr nicht wiederholen, steht „so zwischen 2 und 3. Es läuft gut“.

Zeit und Abstand, um Angst zu verarbeiten

Josephine rettete ihrem Bruder Emil mit einer Knochenmarkspende das Leben. Das Foto zeigt die Geschwister 2017.
Josephine rettete ihrem Bruder Emil mit einer Knochenmarkspende das Leben. Das Foto zeigt die Geschwister 2017.

Auch in der Familie, bekräftigt die Mutter. Doch bis dahin war’s ein langer Weg. „Man dachte, sobald Emil wieder gesund ist, ist auch sonst alles wie früher. ,Freut euch doch!’, meinten die Leute. Ja, klar. Aber wir waren alle so kaputt“, sagt Christine Schmidt. Jeder habe Zeit und Abstand gebraucht, um die Monate der Angst und Ungewissheit zu verarbeiten. „Jeder ging und geht damit anders um.“

Josephine hat es „regelrecht umgehauen“. Die psychische Belastung sei zu massiv gewesen. „Nach der Transplantation redete ich mir ein: Wenn es nicht klappt, wenn Emil stirbt, ist das allein meine Schuld.“ Das sei natürlich komplett irrational. „Ich hätte dir doch niemals einen Vorwurf gemacht!“, ruft Emil.

Und doch zollte der immense Druck Tribut. Fast drei Monate Psychiatrie liegen hinter Josephine. Sie hat zwar ihre eigene Wohnung behalten, ist fürs Erste aber wieder nach Hause gezogen. „Aber jetzt geht’s wieder aufwärts. Ich habe das Studium wieder aufgenommen.“

Blutsbrüderschaft zwischen Bruder und Schwester

Normalität, Alltag: Das sehnen die Schmidts allesamt herbei. Dabei hat Emils Überlebenskampf das Denken und Fühlen nachhaltig verändert. „Früher haben wir immer aufeinander herumgehackt. Das machen wir immer noch. Aber das ist jetzt richtig schön!“, sagt Charlotte (11). „Man weiß nun, was man aneinander hat“, sagt Jakob (18). „Wir alle sind zusammengewachsen“, sagt die Mutter.

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Und Emil? Auch er hat den Wunsch, die Krankheit spätestens nach seinem „zweiten Geburtstag“ am 2. März hinter sich zu lassen, wieder ein ganz normaler Junge zu sein, sein Abi zu machen, einen Job „in den Medien“ zu ergattern.

Die Verbindung zu Josephine indes, sie wird auf ewig unverbrüchlich sein. Das dokumentieren ihre Armbänder, eines mit E-, eines mit J-Anhänger. Das zeigt eine Situation, von der Emil fast staunend erzählt. Kürzlich schnitt er sich in den Finger. „Es blutete. Plötzlich dachte ich: Komisch, das ist das Blut von Josephine.“ Die lacht und strahlt ihren Bruder glücklich an. Ihren Blutsbruder.

>>> Die kleine gute Nachricht

Mit einer guten Nachricht wartet Werner Gilsing (85) auf. Am Mittwoch war der Autofahrer mit einem Platten auf der Oskar-Hoffmann-Straße liegengeblieben. „Es schneite, es war kalt. Trotzdem trat ein Mann auf mich zu und wechselte den Reifen.“

  • Wie er ihm danken könne, fragte Gilsing. Antwort: „Helfen Sie dem nächsten Menschen.“