Bochum. Die WAZ-Familie beherzigt bei Kindergeburtstagen ihre eigene Regel. So wie bei Bryan, der mit 20 Freunden Spaß beim Spielen hatte.
- Geburtstagsfeiern für Kinder erinnern bisweilen an einen Wettbewerb: immer teurer, immer spektakulärer
- Für Familie Kuriewicz, die WAZ-Familie, ist vor allem eines wichtig: Zeit fürs Geburtstagskind
- Sohnemann Bryan feiert seinen zehnten Geburtstag mit 19 Freunden im Sporttreff
„Toooor!“ Bryan jubelt. Sein Team liegt in Führung. Doch die Gegner geben noch lange nicht auf. 20 Kids jagen dem runden Leder hinterher. In FC-Bayern-Farben. Im BVB-Dress. Bryan im lila Trikot des AC Florenz, ein Mitbringsel aus dem letzten Italien-Urlaub. Susan und Hannes Kuriewicz stehen zufrieden am Spielfeldrand. Die WAZ-Familie hat zu Bryans zehntem Geburtstag alles richtig gemacht. Pölen statt protzen. Dazu ‘ne Pizza. Reicht.
Mit Kindergeburtstagen verhält es sich wie mit Abiturfeiern. Wurde früher meist in aller Bescheidenheit gefeiert, ist heute eine Art Wettrennen um die spektakulärste Party und glamouröseste Location entbrannt. „Größer, besser, teurer: Es gibt Eltern, die sich bei Geburtstagen gegenseitig übertrumpfen wollen – und dabei jede Relation verlieren“, beobachten Susan (37) und Hannes Kuriewicz (33). Manche Familien nehmen gar Kredite auf (Bericht unten). Dabei, wissen die Eltern der WAZ-Familie, lieben’s die Geburtstagskinder in aller Regel viel einfacher, bodenständiger.
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Bei den Kuriewicz’ gilt eine feste Regel: Zum Geburtstag gibt’s von Mama und Papa keine allzu opulenten Geschenke (damit warten eh die Großeltern auf). Dafür können die drei Jungs jede Menge Freunde einladen. Bowlingbahn, Kino, Freizeitbad, Beach- und Soccer-Halle oder nebenan in Wiemelhausen auf dem Fußballplatz: Gefeiert wird, wo’s Spaß macht und nicht allzu sehr ins Geld geht. „Der Tag ist unser Geschenk“, sagt Susan Kuriewicz, die die Auswärts-Spiele auch aus Eigeninteresse bevorzugt: „Die Verwüstung daheim möchte ich mir nicht antun.“
Sackhüpfen und Eierlaufen
Zu Bryans zehntem Geburtstag ging’s in diesen Tagen in einen Sporttreff. Genau richtig für den E-Jugend-Kicker von Concordia Wiemelhausen und seine 19 Gäste.
Der Start in den Nachmittag ist traditionell. Klassiker wie Sackhüpfen, Büchsenwerfen und Eierlaufen, von Vater und Mutter liebevoll vorbereitet und mit Stationskarten befeuert, können auch im Smartphone-Zeitalter Kinderaugen zum Leuchten bringen. Doch gestärkt mit mitgebrachten Kuchen und Säften, gibt’s für die Jungen alsbald kein Halten mehr: Rein in die Sportklamotten, ab aufs Fußballfeld. 10 gegen 10 auf Handballtore, ohne Abseits, ohne Schiri: „Das macht Bock!“, strahlt einer der ballverliebten Steppkes, während Papa Hannes die Zeit nimmt.
Der Torhunger ist groß. Der Appetit auf Pizza ebenso. Nach dem Abpfiff wuchtet ein Pizza-Flizzer mehrere Bleche in die Halle. Die Fütterung der Raubtiere kann beginnen, bevor die Eltern ihren erschöpften, aber glücklichen Nachwuchs am Abend einsammeln.
Auch für die WAZ-Familie Kuriewicz geht’s heim. Anstrengend war’s. Aufregend auch. Für Bryan und seine Freunde ein voller Erfolg – und für den nun zehnjährigen begeisterten Fußballer ganz sicher ein „wertvolleres“ Geschenk als so mancher sündhaft teure Technik-Kram.
Für dieses Jahr ist es vorbei mit den Kindergeburtstagen. Anthony macht im Januar den Anfang. Wie und wo gefeiert wird, steht nicht fest. Sicher ist: Die Kuriewicz’ werden’s richtig machen.
Im Wettstreit um die beste Party
Für viele Kinder ist der Geburtstag der Höhepunkt des Jahres – schon Wochen vorher fiebern sie auf den Termin hin. Auch einige Eltern fiebern – allerdings weniger aus Vorfreude als aus Sorge: Gerade finanzielle schwächere Familien und Alleinerziehende fühlten sich unter Druck gesetzt, eine besonders große oder originelle Geburtstagsparty auszurichten, berichtet Michaela Wiedemhöver, Geschäftsführerin beim Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) in Bochum.
„Viele Eltern sparen dafür, andere überlegen sogar, Darlehen aufzunehmen.“ Um den Geburtstag zu Hause zu feiern, fehlen manchen die Räumlichkeiten, anderen ist es unangenehm, die Wohnung vorzuzeigen. „Deshalb weichen sie nach außen aus.“ Doch Kino, Freizeitpark oder Indoorspielplätze sind nicht billig. Und jedes Jahr das gleiche Ausflugsziel, oder gar das Ziel, das beim Kindergeburtstag einer anderen Familie kürzlich erst dran war – für viele undenkbar.
Konstruktive Vorschläge
„Ich finde es schade, dass es diesen Druck überhaupt gibt“, sagt Michaela Wiedemhöver. Doch weil manche sich dem eben nicht entziehen könnten, hat sie ein paar konstruktive Vorschläge parat: So empfiehlt sie etwa Alleinerziehenden, die Kinder in ähnlichem Alter haben, sich doch für eine Party zusammenzuschließen und die Kosten zu teilen.
Mit älteren Geburtstagskindern dürfe man die finanzielle Situation durchaus offen besprechen und gemeinsam überlegen, was machbar ist und was nicht.
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Auch sollten Eltern nicht davor zurückschrecken, bei den Jüngeren auf Klassiker wie „Topfschlagen“ und „Reise nach Jerusalem“ zurückzugreifen. Dass man Kinder mit solchen Spielen so gut wie immer mitreißen könne, weiß Manuela Wiedemhöver aus der Zeit, als sie im Kinderheim arbeitete. Auch dort war das Geld für Geburtstagsfeiern knapp – und trotzdem habe man es geschafft, schöne Feste auf die Beine zu stellen. Denn letztlich, da ist sich Michaela Wiedemhöver sicher, „geht es nicht so sehr darum, was man macht, sondern dass man es mit Freude und Engagement macht.“