Bochum. . Zwischen Weser- und Werrastraße hat die AfD in Grumme einen Spitzenwert erreicht. Viele Anwohner zeigen sich besonders von der SPD enttäuscht.
- Mit 20,19 Prozent hat die AfD im Stimmbezirk 3205 einen Spitzenwert in Bochum erreicht
- In der Grummer Flüssesiedlung wurde die AfD dadurch zweitstärksten Partei, hinter der SPD
- Viele Anwohner zeigen sich enttäuscht von der Sozialdemokratie
Bis auf den Baustellenlärm, ist hier nicht viel los am Montagnachmittag zwischen Weser-, Eder- und Werrastraße. Nur in der Fuldastraße hängen noch Wahlplakate, die vom Bundestagswahlkampf zeugen.
Im Flüsseviertel hängt Martin Schulz etwas schief und bekritzelt an einem Laternenpfahl, dahinter lächelt Michelle Müntefering einem zu. Mit 41,83 Prozent der abgegebenen Stimmen, hat man sich hier im Stimmbezirk 3205 eindeutig für sie entschieden.
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Auch die meisten Zweitstimmen konnte die SPD auf sich vereinigen.
Schröders Agenda wirkt nach
Doch wenn man sich die Ergebnisse aus den Wahllokalen Bochums anschaut, fällt besonders ins Auge, dass sich von den 641 Wählern 20,19 Prozent für die AfD entschieden haben. Das macht sie hier zur zweitstärksten Partei und ist ein Spitzenwert in der Stadt.
„Mich wundert das Ergebnis kein bisschen“, meint Stefan Hohmann, der an der Ecke Diemelstraße eine Lotto-Bude betreibt und so etwas wie der soziale Dreh- und Angelpunkt in der Gegend ist. „Hier wohnen viele Hartz-IV-Empfänger, hier sind die Altlasten von Schröders Agenda 2010 sichtbar.“
Bagger lauern in der Nebenstraße
Unweit von seinem Kiosk stehen noch alte Zechenhäuser, die den Eindruck irgendwie bestätigen. Die VBW erneuert hier schon seit längerem den Wohnungsbestand und zieht die Häuser nach und nach leer. Auf einige Objekte wartet nur noch der Abriss. Die Sorpestraße hat es schon in Teilen erwischt. Diemel- und Ederstraße werden bald folgen. Die Bagger lauern schon in der Nebenstraße.
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Budenbesitzer Hohmann hat für die AfD gestimmt, das gibt er zu, weil er, wie viele im Flüsseviertel, unzufrieden mit der Politik der SPD sei. „Ich war früher bei Opel, habe selbst immer sozialdemokratisch gewählt“, meint er. Man habe aber die kleinen Leute aus den Augen verloren.
„Man müsste mal gehörig an die Steuerpolitik dran und an der Mehrwertsteuer drehen, damit für die Menschen mit geringen Einkommen wieder mehr abfällt“, sagt er. Die Versprechungen, die von der einstigen Arbeiterpartei gemacht wurden, seien aber alle nicht eingelöst worden. „Jeder kämpft hier um Arbeit. Dass die Politik nichts für die Leute tut, können viele nicht verstehen und sie wenden sich deshalb ab, wenn sie denn überhaupt wählen gehen.“
Bezahlbarer Wohnraum ist Thema
Das Flüsseviertel rückt wie das ganze Land nach rechts. Bei der Landtagswahl konnte die AfD hier schon 16,12 Prozent holen. Demografisch gesehen tendieren eher Menschen aus sozialschwachen Milieus mit geringem Einkommen und geringer Bildung dazu, der AfD ihre Stimme zu geben.
Die Flüssesiedlung ist nicht Stiepel, nach Brennpunkt sieht es hier aber ebenso wenig aus. Eigentum gibt’s hier nicht viel, dafür zahlreiche kleine Mietwohnungen in Mehrparteienhäusern. Schick sehen die aufgehübschten alten Häuser an der Werra- und Weserstraße mittlerweile aus. Alles einheitlich in den Farben blau und weiß. Die meisten Objekte haben Balkone und Vorgärten bekommen.
VBW erhöht die Mieten
Geschenke waren das nicht. Die Mieten wurden von der VBW heftig angezogen, erzählen Anwohner. Einige können sich das kaum mehr leisten. Bezahlbarer Wohnraum ist hier ein Thema. Das berichten vor allem ältere Menschen, die mit ihrer Rente gerade mal so über die Runden kommen.
Günter Pressel (77) und ein Nachbar (80) sehen das so. Beide wohnen seit den 50er- und 70er-Jahren in der Siedlung. Sie sind mit dem politischen Wandel und dem Wandel ihres Viertels alles andere als zufrieden. Sie wundert das gute Ergebnis der AfD daher ebenso wenig wie Budenbesitzer Hohmann.
„Die SPD hat viele Jahre geschlafen und die entscheidenden Themen nicht angepackt“, sagt Pressels Nachbar, der nicht genannt werden möchte. „Wir müssen doch in die Zukunft unseres Landes investieren und die fängt in den Schulen an“, sagt er. Und auch die Rente ist ein leidiges Thema. „Ich habe zum Glück eine Zusatzversicherung“ sagt Pressel. Sonst hätte er nicht viel von seiner staatlichen Rente. Trotz ihrer Unzufriedenheit hätten sie ihr Kreuz aber nicht bei der AfD gemacht.