Bochum. Der Verein „Resqhip“ möchte ein Schiff zur privaten Seenotrettung kaufen. Aktivisten üben Kritik an EU-Flüchtlingspolitik.

  • Der Verein „Resqship“ will ein Schiff zur Seenotrettung auf dem Mittelmeer kaufen
  • Ehrenamtliche Helfer können auf zweiwöchigen Missionen dabei sein
  • Das Vorhaben aus Bochum ist auch Kritik an der EU-Flüchtlings- und Migrationspolitik

Judith Büthe konnte sie nicht mehr sehen, die steigenden Todeszahlen, die in den Medien zu lesen waren. Dass die Europäische Union in der Asyl- und Migrationspolitik so uneinig und untätig ist, machte sie immer fassungsloser. Die Bochumer Fotojournalistin packte darauf ihre Sachen und ging im Herbst 2016 auf Rettungsmission im Mittelmeer. Sie brachte dramatische Bilder und Geschichten mit.

Und die Erkenntnis, dass es mehr Rettungsschiffe braucht, um mehr Leben zu retten. Deswegen will sie nun zusammen mit dem Verein „Resqship“ ein eigenes Schiff kaufen und Seenotrettungsmissionen finanzieren.

Auch Druck auf die Politik machen

„Wir wollen als gemeinnütziger und spendenfinanzierter Verein bundesweit tätig werden und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer motivieren, aktiv zu werden“, erklärt Judith, „nicht nur zur See, auch an Land.“ Der Verein will ganz pragmatisch Hilfe leisten, aber auch Druck auf die Politik machen.

Mit wenigen Menschen viel bewegen: Judith Büthe war 2016 bereits mit dem Rettungsschiff „Sea Watch“ im Mittelmeer unterwegs.
Mit wenigen Menschen viel bewegen: Judith Büthe war 2016 bereits mit dem Rettungsschiff „Sea Watch“ im Mittelmeer unterwegs. © Foto: Judith Büthe

Das geht vielen Deutschen so. Die meisten privaten Seenotrettungsmissionen werden unter deutscher Beteiligung organisiert. Bei ihren Einsätzen im Oktober und November letzten Jahres hat Judith Büthe deshalb auch Kontakte nach Hamburg und Freiburg knüpfen können und ist Teil einer Gruppe geworden, mit der sie das Rettungsschiff möglichst bald aufs Wasser bringen möchte.

Gründungssitzung fand im Juni statt

„Wir stecken Hals über Kopf darin, die Vereinsstrukturen aufzubauen und Spenden zu sammeln“, sagt Judith. Die Gründungssitzung war im Juni in Hamburg. Ein Vorstand von sechs Leuten wurde gewählt. Mittlerweile sind über 25 Menschen rund um den Verein tätig, darunter erfahrene Seeleute, altgediente Aktivisten aus Greenpeace-Kreisen, Mediziner, Journalisten und engagierte Menschen aller Altersklassen.

Tatkräftige Unterstützung für die Bochumer Außenstelle bekommt Judith vor allem von Jens Feddersen, den man in der Stadt mit seiner Kneipe „Freibeuter“ kennt. „Ich bin überwältigt, wie viel Zuspruch wir bislang erfahren haben“, erzählt Jens, der noch auf seinen ersten Rettungseinsatz wartet.

200.000 Euro für ein Schiff

Die GLS Bank half bei der Einrichtung eines Spendenkontos, und befreundete Mediengestalter sorgten dafür, dass der Verein seit Anfang Juli im Internet präsent ist. Zuletzt spendete eine Wattenscheider Druckerei 15,000 Flyer. „Die haben wir dann direkt bei Bochum Total verteilt“, sagt Feddersen.

200.000 Euro benötigt der Verein für die Anschaffung eines Schiffs, das für etwa 15 Crewmitglieder ausgelegt sein soll. Dazu kommen monatliche Kosten von etwa 40.000 Euro. Die Mannschaft soll neben der nautischen und medizinischen Besatzung zu einem Drittel aus ehrenamtlichen Helfern ohne spezifische Kenntnisse bestehen. „Die Rettungsmissionen werden etwa zwei Wochen dauern“, erklärt Jens.

Heimathafen: Valletta auf Malta. Von dort aus will der Verein so lange Schiffbrüchige retten, bis Marine und Küstenwache das wieder alleine hinbekommen und eine europäische Lösung in Sicht ist. Das kann dauern.

>>>> INFO: Zivile Seenotrettung im Mittelmeer

Die privaten Seenotretter agieren im Mittelmeer nicht auf eigene Faust. Sie arbeiten eng mit staatlichen Stellen zusammen und werden von der Seenotrettungsleitstelle MRCC (Maritime Rescue Coordination Center) in Rom koordiniert.

Aktuell hegt die italienische Justiz Vorwürfe gegen die Organisation „Jugend rettet“, die mit ihrem Schiff „Iuventa“ gemeinsame Sache mit Schleppern machen soll. Experten sehen darin einen Versuch der Politik, NGOs und ihre Hilfeleistungen zu kriminalisieren. Die Organisationen gerieten zum Sündenbock einer gescheiterten europäischen Migrations- und Flüchtlingspolitik.

Laut Statistiken des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR starben im Jahr 2015 etwa 3500 Menschen auf dem Mittelmeer. 2016 waren es über 5000, nach aktuellen Zählungen bereits über 2400 in 2017. Die Dunkelziffer liegt um einiges höher.