Bochum. Die Meisterpflicht im Handwerk steht auf dem Prüfstand. Vor allem bei den Fliesenlegern zeigt die Abschaffung für die Betriebe negative Folgen.
- Vor 13 Jahren wurde die Meisterpflicht in zahlreichen Gewerken des Handwerks abgeschafft
- Vor allem im Fliesenleger-Handwerk habe sich das nicht bewährt, berichtet ein Bochumer Meister
- Auch SPD-Bundestagsabgeordneter Axel Schäfer befürwortet eine Reform der Reform
Gestern Schneider, heute Buchbinder, morgen Fliesenleger. So einfach ist der Berufswechsel mittlerweile in 53 der 94 handwerklichen Gewerken. Seit 2004 gibt es die sogenannte Meisterpflicht nur noch für die Gewerke, die ein erhöhtes Gefahrenpotenzial bergen. Und das hat Folgen für das Handwerk, insbesondere für die Fliesenleger.
„Viele neue Betriebe haben es schwer, auf dem Markt Fuß zu fassen“, sagt André Müller, der selbst Fliesenlegermeister mit eigenem Unternehmen an der Gerther Heide ist. „Einfache Arbeiten werden heute oft von Ein-Mann-Betrieben zu Dumpingpreisen erledigt.“
Nachbesserungen durch Meister
Die rot-grüne Bundesregierung hatte sich von der Reform 2004 eine Belebung des Arbeitsmarktes erhofft. „Man hat erwartet, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen und bürokratische Hürden überwunden würden“, sagt SPD-Bundestagsabgeordneter Axel Schäfer. Und tatsächlich: Die Zahl der neuen Betriebe ist zunächst stark angestiegen. Eine Vielzahl hat mittlerweile aber auch schon wieder geschlossen. Sie konnten sich auf dem Markt nicht durchsetzen.
Auch die Qualität leidet laut André Müller und dem Baugewerbeverband Westfalen. „Ich habe sogar schon darüber nachgedacht, eine Weiterbildung zum Gutachter zu machen“, sagt André Müller. Schon häufiger musste er nicht richtig abgedichtete Duschbereiche oder Risse in Fliesen ausbessern: „Das wird dann für den Kunden richtig teuer.“
Lehrstellenzahlen relativ konstant
Ein weiteres Problem ist die (Nicht-)Ausbildung: Weil nur Firmen ausbilden dürfen, in denen mindestens ein Meister angestellt ist, sind die Lehrstellenzahlen im Fliesenlegergewerbe seit 2004 relativ konstant geblieben, obwohl die Zahl der Betriebe ja insgesamt gestiegen ist. Nach Informationen der Handwerkskammer Dortmund sei das Verhältnis zwischen Unternehmenszahl und Ausbildungsleistung im Bezirk 2016 auf 1,5 Prozent gesunken. 2003 waren es 8 Prozent.
Politik denkt über Veränderung nach
Laut Axel Schäfer müsse die damalige Reform in einem zeitlichen Kontext gesehen werden. „Die jetzige Diskussion über eine mögliche Wiedereinführung der Meisterpflicht ist daher richtig“, meint der Politiker. Doch wie soll das in der Praxis aussehen? Viele Unternehmer haben sich mittlerweile eine Existenz im Fliesenlegergewerbe aufgebaut. Eine Reform würde ihnen diese möglicherweise wieder entziehen. Für Übergangszeiten und Bestandschutz gibt es derzeit noch keine konkreten Pläne.
Nicht die einzige Baustelle
Auch deshalb denkt André Müller, dass eine Wiedereinführung „sinnlos“ wäre. Generell glaubt der Fliesenleger, dass sich im Gewerk etwas ändern müsse: „Die Arbeit hat sich in den letzten Jahren stark verändert, die Ausbildung ist aber gleich geblieben.“ Das sei auch der Grund, wieso er momentan nicht selbst ausbildet. Die Abschaffung der Meisterpflicht ist also nicht die einzige Baustelle des Gewerks.
>>> Fliesenlegerbetriebe in Bochum seit 2004
Seit Abschaffung der Meisterpflicht sind 857 neue Betriebe des Fliesenlegerhandwerks bei der Handwerkskammer eingetragen worden. Von diesen wurden 615 wieder gelöscht
Zum Vergleich bestehen in den zulassungspflichtigen Gewerken noch 50 Prozent der im gleichen Zeitraum neu gegründeten Betriebe.