Bochum. . WAZ öffnete Pforten: Neun Leser besuchten den offenen Vollzug in Langendreer. Dort erhalten die Gefangenen eine Ausbildung – und so eine Chance.

  • In der Serie „WAZ öffnet Pforten“ haben neun Leserinnen und Leser die JVA Langendreer besucht
  • Dort werden 115 Strafgefangene in einem Handwerksberuf ausgebildet – ihre wohl letzte Chance
  • Im Vordergrund steht in diesem Gefängnis die Resozialisierung, weniger die Bestrafung

So stellt man sich ein Gefängnis eigentlich nicht vor: keine Fenstergitter, keine Wachtürme, kaum Überwachungskameras, keine hohen Außenmauern, dafür leicht überwindbare Zäune – und einen Schlüssel für ihre Hafträume haben die Gefangenen selbst. Die JVA Langendreer ist eine Anstalt für den „offenen Vollzug“. Ganz anders als „Krümmede“, die vor Gittern und Schlössern nur so trotzt.

Neun WAZ-Leser haben sich die Anstalt am Lüdgendortmunder Hellweg angeschaut. Sie erlebten dort, welch große Mühe sich der Rechtsstaat macht, um Gefangene nicht einfach nur wegzuschließen, sondern ihnen eine berufliche Ausbildung zu geben. In dieser JVA steht die Resozialisierung im Vordergrund, nicht so sehr die Strafe. Für die 147 Häftlinge dort ist es die wohl letzte Chance, im Leben doch noch die Kurve zu kriegen. Die meisten Häftlinge bestehen die Gesellenprüfung. Weil sie meist problematische Lebensläufe haben, ist dies nicht selbstverständlich. „Man sieht immer, wieviel Potenzial in den Leuten steckt“, sagt JVA-Mitarbeiter Kai Welzel. „Es lohnt sich für jeden, der es schafft.“

Keine Handys, kein Internet, kein Alkohol, keine Drogen

Trotz aller Lockerungen: Ein Gefängnis bleibt ein Gefängnis. Innerhalb der JVA dürfen die Gefangenen zwar ziemlich frei herumlaufen, aber die Vollzugsbeamten haben sie trotzdem im Auge. Und wenn einer diese Freiheiten nicht zu würdigen weiß und gegen feste Regeln verstößt (kein Handy, kein Internet, kein Alkohol, keine Drogen), landet er ganz schnell wieder im „geschlossenen Vollzug“ wie der Krümmede. Außerdem zählen die insgesamt 60 JVA-Bediensteten mehrfach am Tag durch: „Wenn ein Gefangener fehlt, strömen alle aus und gucken, wo der ist“, sagt Reinhold Arndt, stellvertretender Leiter des Vollzugsdienstes. „Das wirkt relativ entspannt hier, aber wir sind gehalten, genau hinzugucken.“

Gute Führung ist extrem wichtig

Wer in die JVA Langendreer verlegt werden will, muss sich vorher im geschlossenen Vollzug dafür empfehlen. Durch gute Führung, guten Willen und gute Perspektiven. Die Schwere der Tat, wegen der jemand verurteilt worden ist, gibt nicht den Ausschlag.

Rund 115 der 147 Insassen, alles Männer, machen dort eine Handwerksausbildung und erhalten 130 Euro Lohn im Monat zur freien Verfügung: Sie lernen etwa Maler und Lackierer, Maurer, Elektroniker, Metalltechniker, Schweißer – oder Gärtner und Landschaftsbauer. Daher sieht es auf dem drei Hektar großen Gelände der ehemaligen Zeche Neu-Iserlohn auch äußerst gepflegt aus: Alle Beete und Wege sind tipptopp. „Sieht hier ja aus wie im Grugapark“, sagt eine WAZ-Leserin halb scherzend. Die, die keine Ausbildung machen, arbeiten als Hilfskräfte in der JVA.

Die Insassen sind meist zwischen 23 und 35 Jahre und verbüßen Haftstrafen zwischen einem und fünf Jahren. Die Ausbildung beherrscht fast ihren ganzen Tag. 6 Uhr wecken, frühstücken, dann bis 15.30 Uhr arbeiten, lernen. Zurück in ihre Hafträume dürfen sie tagsüber nicht. Der Alltag im Knast soll sich so weit wie möglich an die Realität draußen anpassen.

Der Kraftsportraum ist immer voll

Ausgang haben die Häftlinge – wie mancher selbst im geschlossenen Vollzug – auch. Art und Dauer sind aber sehr unterschiedlich. Das reicht von einem bewachten Freigang zum Supermarkt bis hin zu einem unbewachten Wochenendurlaub. Umgekehrt darf sich jeder am Wochenende besuchen lassen.

In der Freizeit stehen den Häftlingen z.B. eine Bücherei, Billard, ein Kicker, ein „Kreativraum“ für Handwerkliches und ein Kraftsportraum zur Verfügung. „Der ist immer voll“, sagt Arndt. Auch die Freizeitgestaltung müssen viele Häftlinge erst lernen, denn weil sie das bisher nicht konnten, sind sie auf dumme Gedanken gekommen.