Gelsenkirchen. . Der Andrang war groß, rein durften aber nur zwölf ausgeloste WAZ-Leser. Die Justizvollzugsanstalt in Heßler öffnete für sie viele Türen, half, eine Idee vom Alltag der Gefangenen zu vermitteln. Am Ende waren alle beeindruckt von der modernen Anstalt – und froh, wieder raus zu dürfen.

„Boah, ist das groß hier,“ staunt Wolfgang Ziem, als er mit der WAZ-Besuchergruppe aus dem Empfangsbereich der Justizvollzugsanstalt in den Innenbereich des Geländes tritt. Ein überdachter, schmaler Weg, von blauen Metallstreben gekrönt, führt im Halbkreis zwischen Haft- und Verwaltungsgebäuden und der Wäscherei im Innenhof vom einen zum anderen Ende des Geländes. Zwischendurch gibt es immer wieder Gittertüren.

Zwischen Frauen- und Männertrakt liegen Verwaltung und Funktionsräume wie die „Kammer“, erklärt der Verwaltungsleiter der Anstalt, Andreas Kaiser. In der Kammer, da geben alle Gefangenen ihre persönlichen Dinge ab, dort wird ihr bisheriges Leben aufbewahrt und bei der Entlassung wieder zurückgegeben. Wäsche, Geschirr, Toilettenartikel – das gibt es alles von der Anstalt. Zweimal die Woche ist Wäschewechsel – was nicht alle immer nutzen. Dabei arbeiten viele Gefangene selbst in der Wäscherei im Zentrum des Anstaltsareals. Hier wird für alle JVA im Land gewaschen, es ist ein eigener Betrieb.

Bessere Stimmung bei Gefangenen

„Wieviel Lohn bekommen die denn?“ will Helga Frankiwicz wissen. „Je nach Arbeit, zwischen 8,73 Euro und 14,55 Euro – am Tag“, so Andreas Kaiser. Wovon nur drei Siebtel als Taschengeld ausgezahlt wird. Der Rest wird als Starthilfe einbehalten, für die Zeit nach dem Gefängnis. „Ein Gefangener kostet am Tag gut 90 Euro am Tag – im Landesschnitt. Therapien und Arbeitslohn eingerechnet.“ Therapien, Sozialisierungshilfen, Seelsorge gehören neben dem Sport zum Angebot.

In der Werkshalle der Männer ist schon Feierabend. Von sieben bis 15 Uhr dauert die Schicht, nur die Küche arbeitet länger. Wasserleitungen werden hier geschraubt, hochwertige Grillgeräte zusammengebaut. „Die Vogelhäuser und Kerzen sehen aber gut aus. Werden die auf dem Weihnachtsbasar verkauft?, fragt Martina Fedder.“ Ja, werden sie. „Da stehen jetzt schon drei Männer am Fenster“, flüstert WAZ-Leserin Ute Drawell ein wenig schamhaft und schüttelt sich, mitleidig.

Tipptopp, hell und mit eigener Toilette – das Schlimme ist die fehlende Klinke im Inneren des Haftraumes, wie die Zellen heute heißen.
Tipptopp, hell und mit eigener Toilette – das Schlimme ist die fehlende Klinke im Inneren des Haftraumes, wie die Zellen heute heißen. © WAZ

Der Weg zum Frauentrakt führt am Sportplatz vorbei, der die Geschlechter trennt. Trotzdem kommunizieren die Bewohner heftig miteinander. Mit Taschenlampen wird in die Luft geschrieben. Wie das über die Distanz von fast 150 Meter gelesen werden kann – ein Rätsel. Die Flure im geschlossenen Frauentrakt – die im offenen Vollzug leben neben dem Gelände, jenseits der Mauer – sind mit bunten Gemälden auf dem Putz geschmückt: Manga, Einhorn, Drachen — verschieden wie die Bewohnerinnen. Von denen wir nur drei sehen, die das Abendessen in den Frauentrakt schieben. Gekocht wird bei den Männern, für alle.

Die schöne Turnhalle im Rundbau über der Wäscherei findet viel Bewunderung. „Ja, das ist schon schöner hier als in Essen, wo ich vorher gearbeitet habe. Ein Altbau, finster. Mit ganz anderer Stimmung. Auch bei den Gefangenen,“ weiß Markus Kaufhold, der Justizvollzugsbeamte und stellvertretende Leiter des Besucher-Bereichs. Ob hier schon mal jemand getürmt ist? „Kein einziger“, versichert er.

In der Vorführzelle – in eine „echte“ dürfen wir nicht – werden die gerade noch Beeindruckten eher still. Tipptopp sauber, relativ hell, eigener Toilette mit Tür – aber trotzdem klein. Ab 20 Uhr wird hier abgeschlossen, eine Klinke gibt es von innen nicht. Dann ist nur noch das (mitgebrachte) Fernsehen da für Kurzweil, oder Bücher aus der Anstalts-Bibliothek. Handy, Internet – Fehlanzeige. Beine vertreten geht hier nicht: dafür ist der Hofgang da.Unsere letzte Station ist der Gemeinschaftsraum: mit Spielzeug, wenn die Kinder der Gefangenen zu Besuch kommen. Dreimal im Monat ist Besuch erlaubt, 45Minuten.

Jeder zweite sitzt länger als zwei Jahre ein

620 Haftplätze gibt es in der Justizvollzugsanstalt in Heßler, die als kleine Stadt angelegt ist. Davon sind 440 geschlossene für Männer, 118 geschlossene für Frauen, außerhalb der Mauern 62 Plätze für Frauen im offenen Vollzug. Kinder leben hier nicht.

Hier büßen Menschen für wenige Wochen – wegen nicht gezahlter Geldstrafen -, aber auch Schwerverbrecher mit langen Haftstrafen. Die Hälfte etwa sitzt länger als zwei Jahre ein. 70 Prozent haben Drogenprobleme. Wer einen Entzug machen will, wird allerdings in ein Justizkrankenhaus nach Fröndenberg verlegt. Die Substition erfolgt allerdings später dann auch in Gelsenkirchen in der Anstalt. Die meisten Arbeitsfähigen nutzen die Gelegenheit zu arbeiten. In der Schlosserei, der Wäscherei oder der Küche.