Bochum. . 752 Bochumer Schulabgänger haben noch keinen Ausbildungsplatz. Dabei gibt es in der Stadt 508 Lehrstellen, die nicht vergeben sind.
- 752 Schulabgänger in Bochum haben noch keinen Ausbildungsplatz gefunden
- Mehr als 500 Lehrstellen sind momentan aber auch noch nicht besetzt
- Mit einer Last-Minute-Börse will die Arbeitsagentur beide Seiten zusammenbringen
Für mehr als 1300 junge Frauen und Männer in Bochum beginnt in diesen Tagen ein neuer Lebensabschnitt: ihre Berufsausbildung. Ob beim Friseur um die Ecke, einer öffentlichen Einrichtung wie der Stadtverwaltung oder ob bei der Tiemeyer-Gruppe, die mit ihren 49 neuen und insgesamt 136 Azubis mittlerweile einer der größten Ausbilder in der Stadt ist: Mit dem Start in die Berufswelt stoßen all jene, die bis vor kurzem noch die Schulbank gedrückt haben, ein neues Tor in ihrem Leben auf.
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Für 752 junge Schulabgänger (Stand Ende Juli) allein aus diesem Jahr bleibt dieses Tor vorerst aber noch verschlossen. Sie haben nämlich noch keinen Ausbildungsplatz gefunden. Dabei sind allein bei der Bundesagentur für Arbeit in Bochum noch 508 gemeldete Ausbildungsstellen unbesetzt, die tatsächliche Zahl der freien Lehrstellen in der Stadt dürfte sogar noch darüber liegen.
Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt klafft weiter auseinander. Gefragt sind momentan besonders angehende Verkäuferinnen und Verkäufer (43), Kauffrauen und Kaufmänner im Einzelhandel (39), Medizinische Fachangestellte (28).
„Es gibt weniger Bewerbungen als früher“
Die Suche gestaltet sich schwer – schwerer als in der Vergangenheit, sagen viele Unternehmen. „Es gibt weniger Bewerbungen als früher“, heißt es in vielen Firmen. In den vergangenen Monaten sei überhaupt keine mehr eingegangen, so Mathias Klocke von der Sektor Fachpersonal GmbH. Außerdem seien die jungen Leute zu häufig fixiert auf einen Beruf. Dabei gebe es mehr als 300 unterschiedliche Ausbildungsberufe, viele von ihnen auch in Bochum
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Längst macht sich der demografische Wandel bemerkbar. Und auch die Fähigkeiten der Bewerber ließen bisweilen zu wünschen übrig. „Wir verwenden viel Zeit auf die Unterstützung unserer Azubis“, sagt Marlies Harmening, Senior-Chefin im Autohaus Emil Pieper.
In der Vergangenheit hat die ehemalige Berufsschullehrerin dies selbst getan. Mittlerweile erhalten Pieper-Azubis bei Bedarf zweimal die Woche Nachhilfe beim Institut für berufliche Bildung. Eine Maßnahme, die gefördert wird von der Arbeitsagentur.
„Die Firmen schauen nicht nur auf Zeugnisse und Lebenslauf“
„Mit der assistierten Ausbildung haben wir viele Möglichkeiten, junge Menschen zu unterstützen“, sagt Udo Thomann, Teamleiter Berufsberatung U25 bei der Arbeitsagentur. Er ermutigt Firmen und Schüler dazu, sich über diese Möglichkeiten zu informieren und Gebrauch davon zu machen.
Sein Tipp an Lehrstellenbewerber: „Die Firmen schauen nicht nur auf Zeugnisse und Lebenslauf. Ganz wichtig ist ihnen auch das Erscheinungsbild und Auftreten von Bewerbern.“ Ein Plus sei auf jeden Fall, wenn sich Interessenten bereits über den Ausbildungsberuf und die Firma, bei der sie anklopfen, informiert haben.
Nachvermittlung hat begonnen
Aber auch für Schüler ist die Suche nach der passenden Lehrstelle nicht einfach. „Ich habe schon etwa 150 Bewerbungen geschrieben“, sagt Tim Schnellert. Das Ergebnis: Fehlanzeige. Viele Firmen halten es nicht einmal für nötig, auf Bewerbungen zu antworten. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen tun sich dabei schwer, weiß Agentur-Mitarbeiter Udo Thomann.
Seine Chefin Regine Schmalhorst, Vorsitzende Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit, hat unlängst vehement appelliert: „Bildet mehr aus“. Etliche Firmen tun dies. Die Philipps GmbH zum Beispiel, ein Bochumer Traditionsunternehmen aus dem Bereich Heizung - Sanitär - Elektro, bildet auch in diesem Jahr über den eigenen Bedarf aus. „Ausbildung ist mit das Wichtigste für ein Unternehmen“, ist Geschäftsführer Johannes Philipps überzeugt. Aber zu wenige entscheiden sich so spontan wie unlängst das Akademische Förderungswerk (Akafö), kurzfristig noch mehr Lehrstellen zu schaffen.
„Ursprünglich sollten nur zwei neue Köche ausgebildet werden. Die Bewerbungen waren aber so überzeugend, dass es nun vier Neueinstellungen gab“, heißt es beim Akafö. Der Appell von Arbeitsagentur-Chefin Regine Schmalhorst richtete sich derweil vor allem an diejenigen Firmen, die überhaupt nicht ausbilden. Zumal: „Die Kollegen sägen doch damit an dem Ast, auf dem sie sitzen“, sagt Marlies Harmening vom Autohaus Emil Pieper.
Beide Seiten kommen viel zu oft nicht zueinander
Die Firma aus Langendreer ist seit langem ein bekennender Ausbildungsbetrieb. Ebenso wie „Auto Spürkel“ in Hofstede. Für Geschäftsführer Oliver Hoffmann war immer klar, „das wir selbst ausbilden“. Mit Blick auf die Alterspyramide der Belegschaft sei es unabdingbar, sich um den eigenen Nachwuchs zu kümmern. Sechs Auszubildende hat er in diesem Jahr eingestellt.
Fakt ist aber: Viel zu oft kommen beide Seiten, Unternehmen auf der einen und Ausbildungsbewerber auf der anderen, überhaupt nicht zueinander: Das „Matching“, wie es Fachjargon heißt, funktioniert dann nicht. Diese Seite soll dazu beitragen, es zu verbessern. Wir stellen – stellvertretend für ganz viele – einige Angebote und Bewerber vor.
Denn: Auch für das im August oder September beginnende Ausbildungsjahr 2017/18 werden noch Bewerberinnen und Bewerber gesucht. Die Agentur für Arbeit forciert das „Matching“ u.a. bei ihrer Last-Minute-Börse am Dienstag, 22. August. Unternehmer Johannes Philipps ist überzeugt, dass mit gutem Willen vieles möglich ist. Sein Tipp: „Wichtig ist, dass beide Seiten offen für eine Lösung sind.“