Bochum. . Investor kündigt Bauantrag für Viktoria-Karree und Abrissplan für Justizzentrum an. Sechs Hektar Fläche in der City werden umgestaltet.

  • Lange blieb die Innenstadtentwicklung entlang der Viktoriastraße ein vages Unterfangen
  • Nun soll die Politik die ersten Grundsatzbeschlüsse treffen
  • Einer der Investoren, die Hamburger HBB, drückt offenbar auf die Tube

Bochum steht vor einem Sommer der ganz großen Entscheidungen. Die Politik wird in den nächsten Wochen die Weichen für die Umgestaltung eines insgesamt etwa sechs Hektar großen Gebiets in der Innenstadt stellen.

Es reicht entlang der Viktoriastraße vom Bildungs- und Verwaltungszentrum (BVZ) über das jetzige Justizzentrum bis unmittelbar vor dem Musikforum und soll sich zum „frequenzbringenden Rückgrat der Innenstadt“ entwickeln.

Viktoria-Karree soll 2020 eröffnet werden

Die Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft (HBB) als Eigner der Fläche des jetzigen Justizzentrums agiert dabei offenbar als treibende Kraft. Sie kündigt dem Vernehmen nach an, das geplante Viktoria-Karree mit einer Verkaufsfläche von 15 000 Quadratmetern für den Handel, mit Büros, einem Hotel mit 174 Zimmern über zwei Etagen und einer Tiefgarage bereits 2020 eröffnen zu wollen.

Sie hat Pläne zum Abbruch des Justizblocks und zum Bau des Karrees angekündigt.

Telekom-Block wird Geschäfts- und Bürohaus

Vom Tisch ist laut einer Verwaltungsvorlage endgültig eine gemeinsame Entwicklung mit dem angrenzenden Telekom-Block, der im Besitz der Firma Baltz sowie von HBB, Wirtschaftsentwicklung Bochum und der Logos-Gruppe ist. Baltz plant dort ein Geschäfts- und Bürohaus mit maximal 5000 qm Verkaufsfläche.

Andor Baltz posiert in seinem Büro.
Andor Baltz posiert in seinem Büro. © Ingo Otto

Dazu soll, so sieht es ein erster Entwurf vor, das historische Eingangsportal gegenüber dem Rathaus wiederbelebt und der Innenhof bebaut werden. Eine detaillierte Planung, so Eigentümer Andor Baltz, hänge nun von der politischen Entscheidung zur Zukunft von BVZ, Musikschule und Gesundheitsamt ab.

Neue Variante für Musikschul-Zukunft

Zwei Aspekte seien aber fix: „Unsere Handelsfläche soll zum gleichen Zeitpunkt fertig werden wie die im Viktoria-Karree.“ Und: „Wir beteiligen uns mit unserem Haus an der Entwicklung der Innenstadt. Das ist unsere Verpflichtung. Deshalb haben wir das Gebäude gekauft.“

Eine neue Variante zur Zukunft der sanierungsbedürftigen städtischen Immobilien gibt es für die Musikschule. Sie könnte künftig unmittelbar neben dem Musikforum am Marienplatz, wo derzeit das Arbeitsgericht angesiedelt ist, stehen.

Dazu die Stadt gegenüber dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW als Eigentümer weiterhin ihr Kaufinteresse verfolgen.

>>Entscheidung noch offen: Abriss oder Sanierung

Bodentiefe Fenster und Schaufensterfronten, Eingänge an den Ecken und ein überbauter Innenhof: So sieht ein erster Entwurf des Architekturbüros Farwick und Grote für den Telekom-Block gegenüber dem Rathaus aus. Wie die Etagen darüber gestaltet werden könnten und wie viel Bürofläche am Ende in dem Komplex zur Verfügung stehen, ist noch offen. „Im Moment sind es 10 000 m² für Büronutzungen“, so Eigentümer Andor Baltz.

Raumbedarf von 17 100 qm

In beiden Komplexen, Viktoria-Karree und Telekom-Block, könnte die Stadt als Mieter ihren Raumbedarf von 17 100 m² für städtische Ämter decken, sollte sie sich zum Abriss des sanierungsbedürftigen BVZ, in dem u.a. die VHS und die Bücherei untergebracht sind, sowie von Musikschule und Gesundheitsamt entschließen. Das jedenfalls ist eine der Varianten, die in einem Fachgutachten zur Neuordnung des Verwaltungsstandorts genannt werden. Entscheiden soll die Politik über Abriss oder Sanierung noch in diesem Sommer, wenn belegbare Zahlen darüber vorliegen, welche Variante die wirtschaftlichere ist.

Erste Berechnungen, so heißt es in besagter Vorlage, die nächste Woche im Ausschuss für Planung und Grundstücke erstmals beraten wird, haben in puncto Bau- und Investitionskosten keinen großen Unterschied ergeben.

Der Marienplatz 2, wo jetzt noch das Arbeitsgericht (r.) steht, gehört zu den Überlegungen über die Entwicklung entlang der Viktoriastraße. Dort könnte unmittelbar neben dem Musikforum (l.) in Zukunft die Musikschule untergebracht werden.
Der Marienplatz 2, wo jetzt noch das Arbeitsgericht (r.) steht, gehört zu den Überlegungen über die Entwicklung entlang der Viktoriastraße. Dort könnte unmittelbar neben dem Musikforum (l.) in Zukunft die Musikschule untergebracht werden. © Jürgen Theobald

Die Idee, dass vor allem die frequenzbringenden Verwaltungsangebote wie Volkshochschule und Bücherei mit einem Platzbedarf von 7400 m² entlang der Viktoriastraße angesiedelt werden könnten, begrüßt Andor Baltz. Sein Gebäude käme ebenso wie das Viktoria-Karree oder wie mögliche andere Anbieter in Frage. Sie würden sich in einem Wettbewerbsverfahren der Auswahl stellen müssen. Für und Wider der Überlegungen werden in einer Verwaltungsvorlage aufgeführt: Der Vorteil für die Vermieter: beträchtliche Mieteinnahmen für einen langen Zeitraum. Vorteile für die Stadt: mehr Flexibilität, keine Instandhaltungskosten, keine Belastung der Mitarbeiter während einer Sanierungsphase.

Wirtschaftlichkeitsberechnung fehlt noch

Dass die Wirtschaftlichkeitsberechnung zu den städtischen Gebäuden noch nicht vorliegt, dürfte die anstehenden Grundsatzbeschlüsse zum Teil erschweren. Mitte Juli soll der Rat u.a. die Neuordnung des Verwaltungsstandorts am Gustav-Heinemann-Platz (BVZ) – vorbehaltlich der noch ausstehenden Wirtschaftlichkeitsberechnung – sowie Aufträge für ein Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept (ISEK) und ein Konzept für das Thema „Wohnen am Appolonia-Pfaus-Park“ auf den Weg bringen. Dazu gehört auch die Neugestaltung des Husemannplatzes, eine mögliche Anbindung des Parkhauses unter dem Viktoria-Karree an die bestehende Tiefgarage unter dem Platz und eine neue Verkehrsplanung für das Entwicklungsgebiet. Es geht um die „größte planerische und bauliche Aufgabe der nächsten Jahre“. Eine Aufgabe, die voraussichtlich auch eine Debatte über die Personalausstattung der Bauverwaltung auslösen dürfte.

„Anzeiger“-Haus ist sanierungsbedürftig

Neben den sanierungsbedürftigen Gebäuden aus den 1950er (Gesundheitsamt und Musikschule) und aus den 1980er Jahren (BVZ) besteht auch für das Verwaltungsgebäude am Willy-Brandt-Platz 8 unmittelbar neben dem Rathaus „erheblicher Sanierungsbedarf“.

Dies war früher Hauptsitz des Bochumer Anzeigers. Hier wurde zudem 1948 die WAZ gegründet.