Bochum. . Liselotte-und-Walter-Rauner-Stiftung veröffentlicht neuen Sammelband: In „Noch dunkel, schon hell“ melden sich literarische Stimmen zu Wort.

  • Stiftung setzt sich seit über zehn Jahren für die Förderung der Lyrik in NRW ein
  • Sechs junge Autoren sind in dem neuen Band versammelt
  • Politisch einmischen wollen sich die jungen Lyriker zumeist nicht – mit einer starken Ausnahme

Dass junge Menschen heutzutage der Lyrik verfallen sind und ihre knappe Freizeit damit verbringen, wortgewandt an kleinen Poemen zu tüfteln, ist eine gute Nachricht. Und sie macht sogar leise Hoffnung auf ein Fortbestehen dieser großen literarischen Gattung.

Bester Beweis: Der Sammelband „Noch dunkel, schon hell“, den die Bochumer Liselotte-und-Walter-Rauner-Stiftung jüngst herausgegeben hat, vereint die Stimmen von sechs Nachwuchsautoren aus ganz NRW. Vier von ihnen stellten ihre Werke am Sonntag bei einer Matinee vor, zu der so viele Literaturfreunde ins Haus Kemnade kamen, dass eilig weitere Stühle herbei geschafft werden mussten.

Erinnerungen an Lilo Rauner

Die eine schreibt über das Leben in der Kleinstadt, der andere denkt über die Katastrophe von Fukushima nach, der dritte schildert die Ekstase beim Rockkonzert: Die Stimmen der jungen Autoren sind vielfältig – und Lilo Rauner hätte gewiss ihre Freude an ihnen gehabt.

(v.l.) die Autoren Tobias Bäcker, Charlotte Dresen, Alexander Weinstock und Sarah Marie Meinert sowie der Vorstandsvorsitzende der Liselotte-und-Walter-Rauner-Stiftung, Volker W. Degener.
(v.l.) die Autoren Tobias Bäcker, Charlotte Dresen, Alexander Weinstock und Sarah Marie Meinert sowie der Vorstandsvorsitzende der Liselotte-und-Walter-Rauner-Stiftung, Volker W. Degener. © Olaf Ziegler

Denn die Gedichte der Wattenscheider Lyrikerin (1920-2005) blieben selber lange ungedruckt. Erst mit 51 Jahren veröffentlichte sie ihre ersten Verse, die poetisch geschrieben und politisch in ihrer Aussage waren. Auf die Bezeichnung „Arbeiterdichterin“ war sie stolz.

Seit dem Tod des Ehepaars Rauner bemüht sich eine Stiftung seit über zehn Jahren um die Förderung der Lyrik in NRW, die Aktivitäten werden ausschließlich über die Zinsen des Stiftungsguthabens finanziert. „Nachdem uns die Finanzkrise 2008 ziemlich getroffen hatte, konnten wir lange nichts veröffentlichen“, sagt der Vorsitzende Volker W. Degener. „Mit diesem Band haben wir neuen Mut gefasst.“

Beißender Spott

„Noch dunkel, schon hell“ (die Gestaltung des Umschlags stammt von dem Künstler Oskar Gölzenleuchter) ist ein lesenswerter Querschnitt durch die aktuelle Lyrik-Szene, auch wenn die hohe Kunst des Reimens unter junge Autoren scheinbar kein großes Interesse mehr findet. Politisch einmischen – wie Rauner es einst getan hat – wollen sie sich heute ebenso wenig. „Ich möchte die Leser mit meinen Worten nicht überrumpeln, ich möchte lieber Atmosphären schaffen“, sagt die Lyrikerin Sarah Marie Meinert.

Anders sieht es ihre Kollegin Charlotte Dresen, die unter dem Titel „Hello America“ beißenden Spott über den US-Präsidenten ergießt und dafür viel Applaus erntet: „Im Motel schreit auf Channel one / ein alter Mann mit Sonnenbrand / aufgedunsenem Gesicht / schütterem Haar und kurzer Sicht...“

Volker W. Degener (Hg.): „Noch dunkel, schon hell“, Edition Virgines, 90 Seiten, 14 Euro