Bochum. Das Verwaltungsgericht soll eingeschaltet werden: Verdi rechnet mit einstweiliger Verfügung gegen den verkaufsoffenen Sonntag in Bochum.

  • Gewerkschaft Verdi zieht jetzt vor das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen
  • Kirchen unterstützen diese Initiative wollen aber selbst nicht klagen
  • Für die Stadt könnte bei einer Niederlage ein Imageschaden entstehen

Die Gewerkschaft Verdi möchte die vom Rat beschlossenen jetzt sechs verkaufsoffenen Sonntage für dieses Jahr kippen. Konkret wird Verdi in der nächsten Woche beim Bundesverwaltungsgericht die Prüfung des verkaufsoffenen Sonntags am 30. April beantragen. „Wir sind optimistisch, dass das Gericht unseren Bedenken folgt“, so Verdi-Geschäftsführerin Gudrun Müller. Per einstweiliger Anordnung könnte es den offenen Sonntag verbieten.

Bis auf einen Fall hatte sich die Gewerkschaft in ähnlichen Situationen durchsetzen können. Unterstützt wird die Initiative durch die Bochumer „Allianz für den freien Sonntag“. Dort wirken außer der Gewerkschaft noch die Katholische und die Evangelische Kirche mit. Beide Kirchen wollen selbst nicht klagen, unterstützen Verdi jedoch voll und ganz inhaltlich. Lothar Gräfingholt, Vorsitzender des Katholikenrats für Bochum und Wattenscheid, befasst sich schon seit 2009 mit den verkaufsoffenen Sonntagen.

Bürgerentscheid von Münster beeindruckt

Zwar habe nach den Urteilen der Vergangenheit diesmal die Stadtverwaltung genauer hingeschaut. „Doch hat die Politik bei uns nie wirklich das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes bei ihren Entscheidungen mit einbezogen“, so Gräfingholt, der als CDU-Ratsmitglied gegen die Verordnung gestimmt hatte. Für die Evangelische Kirche äußerte sich Superintendent Gerald Hagmann: „Mich hat sehr der Bürgerentscheid von Münster im letzten Jahr beeindruckt. Dort hatten sich die Menschen mit deutlicher Mehrheit dagegen ausgesprochen, überhaupt einen einzigen verkaufsoffenen Sonntag einzurichten.“

Gegner setzen auf den Dominoeffekt

Verdi-Gewerkschaftssekretär Michael Sievers wehrte sich gegen die Kritik, dass der Handel ohne offene Sonntage Schaden nehmen würde. „Wir glauben nicht, dass zusätzliche Öffnungen mehr Umsatz bringen.“ Die Gewerkschaft bedauerte, dass es nach ihrer letzten Stellungnahmen vom 22. Dezember 2016 keinerlei Gesprächsangebote seitens der Stadt mehr gegeben hätte. Noch im März hatte Verdi alle Ratsmitglieder angeschrieben. Ein Argument der Gewerkschaft ist, dass in der Begründung der Verwaltung für die verkaufsoffenen Sonntage nicht wirklich belastbare Prognosen zu finden seien. „Das sind doch hauptsächlich Schätzungen oder Hochrechnungen.“

Jetzt setzen die Kläger auf den Dominoeffekt. Die Stadt könne es sich allein schon aus Imagegründen nicht leisten, dass nun jedesmal wieder neu gegen einen verkaufsoffenen Sonntag geklagt werde. Müller: „Wir sind grundsätzlich weiterhin zum Gespräch bereit.“

>>>KOMMENTAR: Der Gott des Konsums regiert

Eigentlich sind sie mir sympathisch, die Argumente der Allianz für den freien Sonntag. Die Gewerkschaft stellt arbeitsrechtliche, die Kirchen religiöse Gründe in den Vordergrund. Allein, ich kann nicht in dieses Credo einstimmen.

Es ist eine Mär, dass der Sonntag noch der Hort der Ruhe ist, wie ihn die Allianz malt. Längst ausgehöhlt sind die Ladenöffnungszeiten. Rewe etwa freut sich über steigende Umsätze an Tankstellenshops, und im Internet dürften die Bestellungen gerade zum Wochenende raketengleich in die Höhe steigen. „Sogenannte“ Flohmärkte locken sonntags die Pilgermassen, wie weiland nur die christlichen Hochfeste. Der Gott Konsum schert sich wenig um Kirchen oder Gewerkschaften, er regiert ohnehin.

Mein Appell: Begeisternde Alternativen für Sonntagsaktivitäten oder eben zur Besinnung schaffen und so einen Gegenpol gegen den grenzenlosen Kaufrausch etablieren.