Bochum. Bei der Vergabe von Freikarten für Spiele des VfL Bochum legt die Stadt neue Maßstäbe an. Die kritisierte, bisherige Praxis hat Folgen.

Weniger freigiebig als bislang wird die Stadt künftig mit ihren Freikarten für Heimspiele von Fußball-Zweitligist VfL Bochum umgehen. Das ist die Konsequenz aus einem anonymen Schreiben aus dem Vorjahr und der Überprüfung der bisherigen Vergabepraxis. Außerdem muss eine Steuerschuld von insgesamt 68 500 Euro für die Jahre 2011 bis 2016 beglichen werden.

„Zukünftig gibt es nur noch eindeutig dokumentierte, anlass- und mandatsbezogene Kartenvergabe“, kündigt Stadtdirektor Michael Townsend an. Es würden keine Saisontickets, sondern nur noch Tagestickets ausgegeben. Für jede einzelne müsse eine Begründung erfolgen. Die Stadt folgt damit der Empfehlung des Rechnungsprüfungsamts, das die bisherige Ausgabepraxis kritisch betrachtet hat. Townsend selbst wird im Auftrag von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) entscheiden, wer in den Genuss einer Karte kommt. Ähnliche Verfahren werde es für das Musikforum, das Schauspielhaus und das Kunstmuseum geben.

38 Dauerfreikarten wurden 2015/16 ausgegeben

54 Karten stehen der Stadt als Eigentümerin des Stadions aufgrund des Benutzungsvertrags mit dem VfL zu. Vergeben wurden in der Saison 2015/16 38 davon als Saisontickets an die Oberbürgermeisterin, die Sportdezernentin, zwei Bürgermeisterinnen, den Leiter der Wirtschaftsförderung, ein Mitglied des Bundestages und vier Fraktionsangehörige, 24 Mitglieder des Sportausschusses und zwei Mitarbeiter der Zentralen Dienste.

Nun kündigt der Stadtdirektor an, von der kommenden Saison an würden deutlich weniger Tickets ausgegeben; nämlich nur dann, wenn ein eindeutiger Mandats- und Dienstbezug vorliege. Für die laufende Spielzeit wurde die Abgabe der Tickets wegen der Prüfung ausgesetzt.

Anhaltspunkte für eine strafbare Vorteilsnahme und Bestechlichkeit sehen die Rechnungsprüfer nicht. Allerdings müssen die geldwerten Leistungen nachträglich versteuert werden. Geeinigt haben sich Stadt und Finanzbehörde auf eine Pauschalnachzahlung von 68 500 Euro. Die, so Townsend, habe die Stadt vorgestreckt. Jedem einzelnen Karteninhaber werde sein Anteil in Rechnung gestellt.

>>Kommentar: Überfällige Regelung

Jahrelang wurden die Ehrenkarten für den Besuch von Heimspielen des VfL wie selbstverständlich an Politiker und Verwaltungsbeamte abgegeben – so als gäbe es eine Art Naturgesetz dafür. Hinterfragt hat niemand, ob das dem eigentlichen Zweck des mit dem VfL geschlossenen Vertrags entspricht (das Rechnungsprüfungsamt sagt dazu „Nein“, der Zweck sei eigentlich ein anderer). Und wahrscheinlich wollte auch niemand hinterfragen, ob alles mit rechten Dingen zugeht.

Nun, rechtlich mag – bis auf die steuerlichen Auswirkungen – die Vergabepraxis in Ordnung gewesen sein. Dennoch bleibt ein fader Beigeschmack, zumal es nicht um Peanuts geht. Karten auf der Ehrentribüne kosten 115 Euro je Spieltag, pro Saison sind das selbst mit Dauerkartenrabatt gut 1500 Euro. Dafür muss ein normaler VfL-Fan lange stricken. Vor diesem Hintergrund die neue Regelung und Transparenz („Wir legen alles offen“) zu preisen, ist absurd. Sie war nämlich überfällig.