Bochum. . Ein Firmenchef ist verärgert über die Staatsanwaltschaft: Sie hatte auf Sanktionen gegen Unfallflüchtige verzichtet und Verfahren eingestellt.

  • Ein Firmenchef aus Linden ist nach mehreren Fällen von Unfallflucht verärgert über die Staatsanwaltschaft
  • Obwohl der Täter jeweils feststeht, stellte die Strafjustiz die Verfahren ohne jede Sanktion ein – wegen geringer Schuld
  • Dabei lag der Sachschaden über dem Wert, der in der Justiz als bedeutend gilt: bei rund 1650 Euro

Als Karl-Heinz Wagner vor einer Woche in der WAZ einen Artikel über Unfallflucht las, dachte er an seine eigenen Fälle – und war ziemlich verstimmt. Der Grund: Obwohl er selbst der Polizei und der Strafjustiz mehrere Täter präsentiert hatte, kamen diese völlig straffrei davon.

„Ich ärgere mich etwas und bin enttäuscht, aber nicht über die Polizei, sondern über die Staatsanwaltschaft“, sagt der Inhaber und Betreiber einer Elektronik-Firma für Touchscreen-Monitore und PC. Geschätzt 15 Mal seien Fahrzeuge gegen einen Begrenzungspfosten an seinem Firmengrundstück gefahren und dann geflüchtet – pro Jahr ein- bis zweimal.

Hochleistungskamera filmt den Täter

Zuletzt im vorigen Januar. Ein Lkw-Anhänger hatte einen Pfosten mit voller Wucht erwischt. Reparaturkosten: 1654,10 Euro. Wagner hatte den Unfallflüchtigen mit einer Hochleistungskamera, die er an seinem Firmengebäude angebracht hat, ermitteln können. Der Fahrer sammelte sogar Schadensteile auf, wohl um Beweismittel zu beseitigen. Die Polizei leitete gegen ihn ein Ermittlungsverfahren ein.

Doch Anfang März erhielt der Geschädigte ein Schreiben der Staatsanwaltschaft, in dem es hieß, dass das Verfahren ohne Sanktion eingestellt worden ist.

Staatsanwältin erkennt kein öffentliches Interesse

„Der Beschuldigte ist bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten“, begründete eine Staatsanwältin in klassischem Jura-Deutsch. „Eintragungen im Fahrregister liegen nicht vor. Er ist geständig und bedauert sein Fehlverhalten offensichtlich. Es kann erwartet werden, dass der Beschuldigte durch das bisherige Verfahren hinreichend beeindruckt und gewarnt ist. Unter diesen Umständen wäre das Verschulden als gering anzusehen. Ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht nicht.“

Mitte 2015 hatte Wagner einen gleichen Fall erlebt. Diesmal krachte ein Lkw gegen einen Pfosten und fuhr weg. Auch in diesem Fall erwischte die Polizei den Fahrer nur dank Wagners Fotos. Der Lkw war seinerseits beschädigt worden.

„Mit zweierlei Maß gemessen“

Die Staatsanwaltschaft stellte auch diesen Fall ein: „Der unbestrafte Beschuldigte hat sich rechtlich nicht völlig korrekt verhalten. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass er durch die polizeilichen Maßnahmen hinreichend beeindruckt werden konnte und deshalb strafrechtliche Sanktionen nicht erforderlich sind.“ Die Straftat wurde lediglich ordnungsrechtlich geahndet – mit 35 Euro „Verwarnungsgeld“.

Zwar hat Wagner ganz oder großteils den Schaden von den gegnerischen Versicherungen erstattet bekommen, trotzdem sagt er. „Da wird mit zweierlei Maß gemessen.“ Denn anderen Verkehrsstraftätern wurde neben einer Strafe sogar die Fahrerlaubnis entzogen. In der Tat sagt das Gesetz, dass diese Maßnahme möglich ist, wenn „ein bedeutender Sachschaden“ vorliegt. Damit sind Werte ab etwa 1200 Euro gemeint.

>>> KOMMENTAR: Von Bernd Kiesewetter

Regelmäßig bittet die Polizei um Zeugenhinweise – auch nach Unfallfluchten. Schließlich ist das eine Straftat. Deshalb sind die Einstellungen der Verfahren gegen jene zwei Unfallflüchtigen absolut unverständlich. Damit leisten die zuständigen Amtsanwältinnen den polizeilichen Bemühungen, die Öffentlichkeit zu mehr Mithilfe anzuregen, einen Bärendienst.

Es darf nicht sein, dass das bloße Verfahren an sich für ausreichend gehalten wird, um die Täter zu beeindrucken. Das ist eine ganz schlechte Botschaft. Zumal die Zahl der Unfallfluchten in Bochum im Vorjahr deutlich auf 2855 angestiegen ist und die Polizei verstärkt gegensteuern will.

Bei Unfallflucht ist Haft bis zu drei Jahren möglich. In fast allen Fällen bleibt es aber bei einer Geldstrafe. Mindestens sollten aber Sozialstunden fällig sein. Eine Verfahrenseinstellung ohne jede Sanktion jedoch ist Gift für die Bereitschaft der Bürger, Zeugenhinweise zu geben. Und die Täter lachen sich kaputt.