Bochum. . Ihr Blindenhund Sally musste draußen bleiben: Nicht zum ersten Mal hat Ursula Franke diese Erfahrung gemacht. Sie hofft auf mehr Rücksicht.

  • Ursula Franke ist blind und geht deswegen mit ihrem Blindenhund einkaufen
  • Der Zutritt zu einem Geschäft auf der Kortumstraße wurde Labrador Sally jüngst verweigert
  • Blindenhunde gelten als Sonderfall und dürfen deswegen auch Lebensmittelgeschäfte betreten

Ursula Franke ist es leid. Sie braucht ihre Sally einfach. Seit knapp acht Jahren weicht der Blindenhund nicht von ihrer Seite. Und jetzt soll sie den Labrador einfach draußen lassen? Vor dem Geschäft? „Das ärgert mich einfach“, sagt die 55-Jährige. „Rollstuhlfahrer müssen ihren Rollstuhl doch auch nicht vor dem Geschäft abstellen.“

Der jüngste Vorfall hat das Fass zum Überlaufen gebracht – wieder einmal. Zusammen mit Sally und ihrem Ehemann Ullrich ist Ursula Franke in der Stadt gewesen. Auf der Kortumstraße wollten sie in das Geschäft „Lecker Lecker“, um Süßigkeiten zu kaufen. In der Filiale, die aktuell wegen Umbaumaßnahmen geschlossen ist, sei dann eine Mitarbeiterin auf die drei zugekommen. „Hier sind Hunde verboten. Bitte verlassen Sie den Laden“, habe diese gesagt. „Wir haben sie darauf hingewiesen, dass Sally ein Blindenführhund ist. Das war ihr egal. Daraufhin haben wir das Geschäft verlassen“, erzählt Franke.

Blindenhunde dürfen sehr wohl in Lebensmittelgeschäfte

Es ist nicht ihre erste Negativerfahrung. 2013 wollte sie in einem Supermarkt an der Hattinger Straße einkaufen. Ein Mitarbeiter habe damals gerufen: „Mit dem Hund dürfen Sie hier nicht rein.“ Auch damals hat Ursula Franke den Kontakt zur WAZ gesucht, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Denn Blindenhunde dürfen sehr wohl in Lebensmittelgeschäfte mit besonderen Hygienevorgaben – so sieht es der Gesetzgeber vor.

Labrador-Hündin Sally hat eine Ausbildung absolviert: Sie war in der Welpenschule, das allein ist noch nichts Besonderes. Danach ist sie in einer Paten-Familie gewesen, um sich unter anderem an Kinder zu gewöhnen. Ein halbes Jahr lang stand dann zweimal täglich für zwei Stunden Training an. Sally lernte, Bürgersteige zu erkennen, genauso wie Aufzüge, Ampeln, Postkästen und sogar, wie ein Taxi aussieht.

„Durch Sally habe ich viel Selbstständigkeit“, sagt Ursula Franke. Umso trauriger mache sie es deswegen, wenn sie in der Öffentlichkeit wegen ihres Hundes oder ihrer Behinderung schief von der Seite angemacht wird. Ihr Mann Ullrich Franke erinnert sich zum Beispiel an einen Besuch auf dem Weihnachtsmarkt: „Da haben Leute gesagt: ,Was wollen die denn auf dem Weihnachtsmarkt?’ Auf so etwas reagiere ich allergisch.“ Er erhoffe sich mehr Rücksichtnahme. Äußerungen wie die auf dem Weihnachtsmarkt hätten auch etwas mit Unwissenheit zu tun.

„Das war ein großes Missverständnis, das tut uns leid“

Viele wüssten zudem nicht, wie man einen Blindenhund erkennt. Ursula Franke: „An dem weißen Bügel, dem Halsband und der Leine.“ Der Inhaber von „Lecker Lecker“ verweist bei dem jüngsten Vorfall auf eine ebensolche Unwissenheit. Hssaen Laaroussi sagt: „Das war ein großes Missverständnis, das tut uns leid. Meine Mitarbeiterin hat gar nicht erkannt, dass es sich bei dem Hund um einen Blindenhund gehandelt hat.“

Zwar weise am Eingang ein Schild auf ein Hundeverbot hin, damit seien aber ausdrücklich Haustiere gemeint. Laaroussi unterbreitet Ursula Franke ein Versöhnungsangebot: „Die Dame kann gerne bei uns vorbeikommen, dann bekommt sie auch eine richtige Entschuldigung von uns.“

>>> Kommentar von Johannes Pusch

Ursula Franke ist blind. Ihr Hund Sally ist für sie das, was für Gehbehinderte zum Beispiel ein Rollstuhl ist: ein Werkzeug. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft sieht in dem Werkzeug Blindenhund einen Sonderfall. Und das ist gut so. Denn dadurch ist geregelt, dass blinde Menschen auch dorthin ihren Vierbeiner mitnehmen können, wo eigentlich Hygienevorschriften herrschen – also auch in Krankenhäuser, Arztpraxen und Lebensmittelgeschäfte.

Das Problem: Viele scheinen von dem Sonderfall des Bundesministeriums nicht zu wissen. Auch nicht, wenn sie vom Fach sind. Sie berufen sich auf Vorschriften, wenn sie Hunden wie Sally den Zutritt ins Geschäft verwehren. Ursula Franke und andere Betroffene kostet das Nerven.

Die 55-Jährige möchte die Öffentlichkeit sensibilisieren, deswegen hat sie nun auch zum bereits zweiten Mal nach 2013 den Kontakt zur WAZ gesucht. Sie und ihr Mann erhoffen sich zeitgleich, dass Bemerkungen wie „Was wollen die auf dem Weihnachtsmarkt?“ endlich der Vergangenheit angehören.