Bochum. Bäume haben in Bochum keine Lobby. Das beklagten WAZ-Leser, die sich am Freitag an einer Diskussion am WAZ-Mobil in der Innenstadt beteiligten.

  • Das WAZ-Mobil machte nach den jüngsten umstrittenen Baumfällungen in der City Station
  • Bei der lebhaften Diskussion beklagten Leser: Den Bäumen in Bochum fehlt die Lobby
  • Vertreter der Stadt verteidigten die Fällungen und kündigten Ersatzbepflanzungen an

Ist die Stadt mit ihren umstrittenen Baumfällungen auf dem Holzweg? Ja, beklagen WAZ-Leser, die sich immer wieder entsetzt über den Kahlschlag in weiten Teilen des Stadtgebietes zeigen. Nein, entgegnet die Verwaltung, die beteuert, dass der Schutz der Bäume auch im Rathaus oberstes Gebot sei. Aufeinander prallten die Meinungen am Freitag am WAZ-Mobil. Auf der Huestraße. Dort, wo zur Entrüstung von Anliegern und Passanten in dieser Woche zwölf Bäume abgeholzt wurden.

Baumfällungen: Bochumer diskutieren am WAZ-Mobil

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    Unsere Zeitung reagierte prompt auf die massive Kritik. Binnen zwei Tagen wurde die rollende Redaktion an den Ort des Geschehens gebracht. Und mit ihr Vertreter der Stadt, der Politik und des Naturschutzbeirats, die sich am Vormittag unter der Gesprächsleitung von WAZ-Redakteur Michael Weeke einen mitunter heftigen Schlagabtausch lieferten: sowohl untereinander als auch mit den Lesern.

    Stadt rechtfertigt Baumfällungen

    Susanne Düwel, Abteilungsleiterin im Tiefbauamt, rechtfertigte den jüngsten Einsatz der Kettensäge auf der Huestraße, die derzeit zwischen Hellweg und Dr.-Ruer-Platz erneuert wird. Die Hochbeete seien für die zwölf Bäume, die ältesten 50 Jahre, zu klein geworden. „Die Wurzeln hatten bereits das Pflaster angehoben und wären durch die Erdarbeiten geschädigt worden. Eine Rettung wäre sehr schwierig gewesen“, so Düwel, die versprach: „Die Bäume werden nach Ende der Arbeiten eins zu eins ersetzt“ – so wie es die Baumschutzsatzung beim Fällen gesunder Bäume vorgibt.

    Bilanz weist deutliche Lücke aus

    Das möge an der Huestraße stimmen. Andernorts jedoch habe die Stadt diese Maßgabe gerade bei Wohnbauprojekten bei Weitem nicht erfüllt, argwöhnten mehrere Leser. Tatsächlich weist eine Bilanz, die Sebastian Pewny (Grüne) am WAZ-Mobil vorlegte, eine deutliche Differenz aus. 697 Fällungen standen 2016 rund 400 Ersatzbepflanzungen gegenüber. Thorsten Lumma, Leiter des Umwelt- und Grünflächenamts, bestätigte die Lücke. Aber: „Gefahrbäume“, die drohen umzukippen, müssten nicht ersetzt werden. Und die hätten seit dem Ela-Orkan 2014 zuhauf im Stadtgebiet gefällt werden müssen. Gleichwohl gebe es Ersatzpflanzungen, die den Verlust aber nicht ausgleichen.

    Grundsätzlich wehrt sich die Stadt gegen den Vorwurf, öffentliches Grün gedanken-, gar skrupellos zu vernichten. „Auch unser Ziel ist der Baumschutz“, beteuerte Thorsten Lumma. Die letzte Entscheidung, wo Bäume verschwinden, treffe aber die Politik – aktuell etwa beim Neubau des Zentralen Busbahnhofes, der aus Platzgründen komplett baumlos wird.

    „Schutz der Umwelt ernster nehmen“

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    Genau hier erkennt Dr. Ingo Franke, Mitglied des Naturschutzbeirates der Stadt, Handlungsbedarf. „Die Politik in Bochum muss den Schutz der Umwelt endlich ernster nehmen, als sie es seit vielen Jahren tut“, appellierte Franke am WAZ-Mobil. Im Zeichen der Klimaerwärmung müsse es in der Innenstadt nicht weniger, sondern mehr Bäume als Luftabkühler und Schattenspender geben. Bitter nur: Die Bäume wie die gesamte Umwelt hätten vor Ort kaum eine Lobby.

    Dies, so ein Ergebnis der WAZ-Diskussion, könnte relativ schnell geändert werden: indem der Naturschutzbeirat, insbesondere aber der Umweltausschuss größeren Einfluss und mehr Mitbestimmung erhalten und mehr als Beiwerk sind.

    „Der Respekt vor Pflanzen ist gering geworden“

    WAZ-Leser und zufällig Anwesende äußern sich auf dem Dr.-Ruer-Platz zum Teil sehr emotional

    Bäume und Bochumer – das ist eine von Emotionen geprägte Beziehung. Die Diskussion am WAZ-Mobil nahmen zahlreiche Bürger zum Anlass, mit Verantwortlichen ins Gespräch zu kommen. Für die aktuellen Baumfällungen sprach sich niemand aus.

    Frage nach Alternativen

    „Ich wünsche mir, dass Bäume eine stärkere Lobby bekommen“, sagte zum Beispiel Elisabeth von Roden. „Nicht nur bei den Grünen im Rat, sondern auch bei den anderen Parteien.“ Sie sprach zudem den Wunsch „nach einer besseren Planung“ aus: „Bevor Bäume abgeholzt werden, muss doch überlegt werden: Gibt es Alternativen?“ Zudem sagte sie an die Allgemeinheit gerichtet: „Der Respekt vor Pflanzen ist gering geworden. Und leider auch vor den Menschen, für die Bäume wichtig sind.“

    Nicht nur Leser, die im Vorfeld von dem WAZ-Mobil zum Thema Baumfällungen erfahren hatten, ergriffen auf dem Dr.-Ruer-Platz das Wort. „Ich bin zufällig hier vorbeigekommen“, sagte der 21-jährige David Hamacek. Er störte sich an der gefallenen Begrifflichkeit des „ökologischen Aufwertens“ und wollte von offizieller Seite wissen: „Was meinen Sie damit eigentlich?“ Zu wenig würde an diesem Punkt getan werden. „Das ist alles Quatsch“, sagte er.

    Für Verwirrungen sorgt das Thema Ersatzbepflanzung bei Petra Weyh. „Ich möchte konkrete Zahlen haben, wie viele Bäume als Ersatz für gefällte Bäume gepflanzt werden“, sagte sie. „Es werden offiziell mehr Bäume gefällt, als nachgepflanzt werden. Dazu möchte ich gerne eine Erläuterung.“ Diese erhoffte sie sich auch für folgende Frage: „Wie kann es eigentlich sein, dass in Bochum Bäume gefällt werden und als Ersatz dann in Herne Bäume gepflanzt werden?

    Neben eher allgemeinen Nachfragen rückten auch immer wieder persönliche im Rahmen des WAZ-Mobils in den Fokus. So etwa von Peter Grützke aus Wattenscheid. Emotional und teils lautstark schilderte er seinen Fall. „Meine Bäume stehen laut Stadt unter Bestand-schutz. Es heißt: Diese dürfen weder ausgeschachtet noch verdichtet noch aufgeschichtet werden.“ Aufgrund von Arbeiten auf dem Nachbargrundstück – 40 Zentimeter von seinem Grün entfernt – seien seine Bäume nun aber sehr wohl gefährdet. „Jetzt habe ich Angst, dass die Bäume auf mein Haus kippen“, sagte Peter Grützke. „Ich würde mir wünschen, dass seitens der Stadt der Bestandschutz auch tatsächlich angewendet werden würde.