Bochum. Ein VW-Fahrer fühlt sich von seinem Autohaus im Zuge des Abgas-Skandals getäuscht. Der Konzern machte am Dienstag ein überraschendes Angebot.

  • Ein 68-jähriger VW-Fahrer fühlt sich von einem Bochumer Autohaus getäuscht
  • Ohne sein Wissen wurde bei seinem Tiguan die Anti-Schummel-Software aufgespielt
  • Der Konzern unterbreitet das Angebot, die Umprogrammierung rückgängig zu machen

Im Zuge der VW-Abgas-Affäre fühlt sich ein Kunde von einem Bochumer Autohaus „hinters Licht geführt“. Entgegen seines ausdrücklichen Wunsches sei bei seinem Wagen ein Motor-Update aufgespielt worden. VW bietet auf WAZ-Anfrage an, die Programmierung rückgängig zu machen.

„Verbrauchsgünstig und sauber“: Klaus Hermann (68) ließ sich als langjähriger Mercedes-Fahrer überzeugen. Ein VW Tiguan 4 Motion schien für 38 210 Euro die richtige Wahl zu sein. Im August 2014 kaufte der pensionierte Polizeibeamte den Diesel-Neuwagen bei einem großen Bochumer VW-Händler. Schnell aber seien Zweifel aufgekommen. „Der angebliche Durchschnittsverbrauch von sechs Litern erwies sich als illusorisch. Ich kam nie unter 8,3 Liter.“

Käufer fordert Rücknahme oder neues Auto

Endgültig vorbei mit der Freude am Fahren war es im Herbst 2015, als der Abgas-Skandal aufflog. VW hatte jahrelang Dieselautos so manipuliert, dass sie nur auf dem Prüfstand die Abgasgrenzwerte einhalten, auf der Straße aber deutlich mehr Schadstoffe ausstoßen.

Von der Schummel-Software ist auch der Tiguan von Klaus Hermann betroffen, teilten ihm die Wolfsburger im Juli 2016 mit. Bei seinem VW-Partner stehe die benötigte Software zur Umprogrammierung kostenlos zur Verfügung.

Klaus Hermann dachte gar nicht daran, dem Rückruf zu folgen. Als „enttäuschter Kunde“ verfolgt er zwei Ziele: „VW soll den Tiguan zurückkaufen oder mir ein mängelfreies Neufahrzeug stellen.“ Ein Motor-Update, so Hermann, würde diese Ansprüche zunichte machen. Mehrfach habe er daher in Schreiben an das Autohaus die angebotene Software ausgeschlagen – zuletzt im Oktober 2016, als er sein Auto zum Reifenwechsel in die Werkstatt brachte. „Herr Hermann lehnt derzeit die Durchführung der Rückrufaktion ab“, heißt es auf der Auftragsbestätigung des Autohauses, die der WAZ vorliegt.

Außergerichtliche Einigung macht Mut

Im Januar fühlte sich der Weitmarer bestätigt. Ein Tiguan-Fahrer aus Trier hatte bereits gegen dieses Autohaus geklagt: in erster Instanz erfolglos. Vor dem Berufungstermin jedoch gab es eine Einigung. Alle Forderungen auf Entschädigung seien durchgesetzt worden, so der Anwalt des Fahrers, Dietrich Messler (die WAZ berichtete).

Derart bestärkt, wiederholte Hermann am 17. Januar seine Forderungen an die Geschäftsführung des Autohauses. Die Antwort, sechs Tage später, ließ ihn „vom Hocker fallen“. Der Dieselmotor des Tiguan sei „bereits überarbeitet“ worden, hieß es. „Wir bitten vor diesem Hintergrund um Verständnis, dass wir Ihrer Aufforderung (...) nicht nachkommen können.“

Konzernsprecher räumt „Versehen“ ein

Eine Nachfrage bestätigte: Das Update wurde im Oktober beim Reifenwechsel aufgespielt. „Ohne mein Wissen und trotz des Hinweises auf dem Auftrag“, so Hermann, der von einer „Täuschung“ spricht.

Ein VW-Sprecher bestätigt gegenüber der WAZ, dass das Update „versehentlich“ erfolgt sei. Zwar sei jeder betroffene Fahrer zu der Umprogrammierung verpflichtet. „Ansonsten kann eine Stilllegung durch die Behörden drohen.“ Gegen den ausdrücklichen Willen eines Kunden dürfe aber „selbstverständlich nicht gehandelt werden“. Dies sei bei Klaus Hermann offenkundig geschehen. Deshalb biete Volkswagen „in Abstimmung mit den Behörden in diesem absoluten Ausnahmefall“ an, die Software kostenfrei in den alten, wenn auch unzulässigen Zustand zurückzuversetzen.

Eine Offerte, die bei Klaus Hermann am Dienstag nur eine Reaktion hervorrief: „Ich falle gerade nochmal vom Hocker.“

>> 2,6 MILLIONEN AUTOS SIND BETROFFEN

  • Insgesamt sind in Deutschland 2,6 Millionen Fahrzeuge des VW-Konzerns von der „Schummel-Software“ betroffen. Davon wurden inzwischen über eine Million umgerüstet, wie ein VW-Sprecher am Dienstag der WAZ sagte.
  • Die Umprogrammierung der Software dauert je nach Fahrzeugtyp 20 bis 30 Minuten. „Wir bedauern zutiefst, dass wir Ihr Vertrauen enttäuscht haben“, heißt es in Schreiben von VW an die betroffenen Kunden.