Bochum. . Regisseur Hasko Weber dreht „Biedermann und die Brandstifter“ im Schauspielhaus zur Boulevardkomödie – und wählt dabei einen recht bequemen Weg.
- Werke von Max Frisch erleben am Schauspielhaus eine kleine Renaissance
- Aktuelle Bezüge mag Regisseur Weber in seiner Einrichtung nur ganz am Rande herstellen
- Die stärkste Szene erwartet die Zuschauer am Schluss
Da steht Herr Biedermann barfuß mit seiner eigenen Urne in der Hand und versteht die Welt nicht mehr. Er hat immer die Gebote befolgt, nie sonntags gearbeitet, nie eine andere als seine Babette begehrt – und doch landet er geradewegs in der Hölle. Sein letzter Trost: „Nur jetzt nicht den Glauben verlieren.“
Die Werke des Schweizer Dramatikers Max Frisch erleben am Schauspielhaus gerade eine kleine Renaissance. Nach der sehenswerten Adaption des sperrigen Romans „Stiller“ steht mit „Biedermann und die Brandstifter“ jetzt ein Klassiker des bürgerlichen Dramas auf dem Programm, routiniert und schnörkellos in Szene gesetzt von Hasko Weber, Intendant am Nationaltheater Weimar.
Bittere Farce stammt aus dem Jahr 1958
Die bittere Farce aus dem Jahr 1958 diente Generationen von Schülern als Pflichtlektüre, und die Lesarten waren entsprechend vielfältig. Ist das Ganze eine Parabel auf die Machtergreifung der Nazis oder auf den Kommunismus zur Zeit des Kalten Krieges?
Heute könnte man das Stück brandaktuell als Kommentar auf die politische Lage in den USA und der Türkei zeigen, doch eine eilige Aktualisierung ist Webers Sache nicht. Lieber kitzelt er aus der Groteske die Leichtigkeit heraus und dreht Frischs vielschichtiges „Lehrstück ohne Lehre“ zur handfesten Boulevardkomödie. Man könnte auch sagen: Hasko Weber geht auf Nummer sicher und verlässt sich recht bequem auf die gut geölte Mechanik der Vorlage.
Ein Zuschauer reicht das Feuerzeug
Dass dem Zuschauer dabei das Schmunzeln immer wieder vergeht, ist allerdings ein großes Plus dieser Aufführung. Schon die Eröffnung hat beißende Ironie. Da stehen die beiden Brandstifter (mit kompromisslosem Ernst gespielt von Jürgen Hartmann und Matthias Eberle) mit zwei Fackeln auf der Bühne – doch sie haben keine Streichhölzer.
Ob jemand im Saal zufällig Feuer hat, fragen die beiden. Tatsächlich meldet sich kurz darauf ein Herr in Reihe eins und reicht den beiden sein Feuerzeug. Klare Botschaft: Um zum Mittäter zu werden, braucht es manchmal nicht mehr als ein wenig Höflichkeit.
Ganz ähnlich geht es dem gehörnten Herrn Biedermann und seiner Frau Babette, denen Veronika Nickl und der starke Martin Horn etwas Treudoofes, aber letztlich auch Charmantes mitgeben. Unter seinem Dach nisten Zündler, doch Gottlieb Biedermann ist eben genau ein solcher. Aus Angst vor Konflikten paktiert er lieber mit den Strolchen, statt sie in hohem Bogen aus dem Haus zu werfen.
Raffinierte Drehbühne
Auch plötzlich auftauchende Benzinfässer samt Lunte hindern ihn nicht daran, in seinen Untermietern nur das Edle und das Gute zu vermuten und umfassende Mitmenschlichkeit zu beschwören. Da kann der Chor (Luana Velis, Daniel Stock und Klaus Weiss) mahnen und warnen: Biedermann bleibt stur bis zum Inferno.
Auf raffinierter Drehbühne von Thilo Reuther, die mal den Blick in Biedermanns Wohnstube, mal auf den Dachboden freigibt, wird das Feuer schließlich in glutrot schimmernden Projektionen dargestellt, die beeindruckend aussehen.
Nach der Pause folgt lediglich das etwa 15-minütige Nachspiel, für das die Bühne komplett umgebaut wird. Frisch in der Hölle gelandet, verteidigt Biedermann sein selbstgerechtes Kneifen, während im Hintergrund in einer riesigen Schale die ersten Artikel des Grundgesetzes verbrannt werden. Diese wuchtige Schlussszene ist die stärkste des Abends.
Wieder am 26.,28.1. und 2., 7., 15. und 25.2.; Karten: Tel. 0234 / 33 33 55 55.