Bochum. Ein Paar aus Gelsenkirchen steht jetzt vor Gericht, weil es laut Anklage mit Sprengsätzen an Lidl-Filialen elf Mio. Euro erpressen wollte.

  • Das Paar (48, 54) aus Gelsenkirchen steht wegen versuchten Mordes vor dem Schwurgericht
  • Sie sollen an drei Lidl-Filialen in Bochum, Bottrop und Herten Rohrbomben gezündet und elf Mio. Euro gefordert haben
  • „Zahlen Sie oder sterben Sie“, sollen die Angeklagten an die Lidl-Zentrale gemailt haben

„Zahlen Sie oder sterben Sie!“ soll das mutmaßliche Erpresser-Paar an die Lidl-Zentrale gemailt haben. Gezeichnet: „Mister X.“ Seit Mittwoch stehen die 54-jährige Frau und der 48-jährige Mann aus Gelsenkirchen vor dem Bochumer Schwurgericht. Es geht um Explosionen von Rohrbomben, Millionen-Forderungen, Morddrohungen und ein klägliches Scheitern.

Am Mittwoch sah sich das Paar erstmals seit seiner Inhaftierung im vorigen Juli wieder. Sie halten sich Aktenordner vors Gesicht, um bloß nicht von den Pressekameras identifiziert zu werden. Auch beim Abheben von erpresstem Beutegeld an Geldautomaten sollen sie ihre Gesichter verborgen haben: er hinter einer Gummi-Maske, sie hinter einer Sonnenbrille mit Schal und Mütze.

Insgesamt elf Millionen Euro gefordert

Die Angeklagten neben ihren Verteidigern Reinhard Peters (li.) und Volker Schröder (re.).
Die Angeklagten neben ihren Verteidigern Reinhard Peters (li.) und Volker Schröder (re.). © Bernd Kiesewetter

Das arbeitslose Paar (sie ist ungelernt, er Netzwerk-Administrator) soll von einem eigenen Haus in Spanien geträumt haben. Das Geld dazu sollte Lidl liefern. Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann wirft ihnen vor, in der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 2012 an der Außenwand einer Lidl-Filiale in Wattenscheid ein mit Schwarzpulver gefülltes Rohr mit einer Zündschnur zur Explosion gebracht zu haben. Sachschaden: 1000 Euro. Wenige Tage später mailte das Paar dann laut Anklage an die Lidl-Zentrale in Neckarsulm, binnen 30 Tagen zehn Millionen Euro zu zahlen. Andernfalls werde es weitere Anschläge auf Filialen geben.

Lidl wollte angeblich tatsächlich zahlen. Doch weil das alles zu schleppend gelaufen sei, sollen die Angeklagten erneut eine Rohrbombe gezündet haben, diesmal in der Nacht vom 13. auf den 14. Dezember an einer Filiale in Bottrop. Mit einem Benzin-Lappen wurde das 45 Zentimeter lange Rohr zur Explosion gebracht. Erneut folgten Drohungen per Mail, dass „Unschuldige“ getötet werden könnten, wenn Lidl nicht zahle.

Aus Angst vor Entdeckung blieb Geld auf dem Konto

Tatsächlich überwies Lidl laut Anklage nach und nach gut eine Million Euro auf ein Volksbank-Konto, auf das die Angeklagten einen Online-Zugriff gehabt haben sollen. Aber weil sie Angst vor Entdeckung hatten, trauten sie sich nicht, die Beute abzuheben, so dass das Geld wieder zurückgebucht wurde, heißt es in der Anklage.

Doch damit war die Erpressung nicht vorbei. Am 15. April 2016 um 9 Uhr detonierte erneut eine Rohrbombe, diesmal in einem Abfalleimer in der Leergutannahme einer Lidl-Filiale in Herten. Gezündet wurde per elektronischem Signal. Dabei wurde eine Lidl-Mitarbeiterin durch umherfliegende Metallteile am Bein verletzt. Außerdem erlitt sie ein Knalltrauma. Die Angeklagten hätten genau gewusst, dass dabei jemand sterben könne, sagt Ankläger Bachmann. „Das nahmen sie bewusst und billigend in Kauf.“ Er wertet die Anschläge denn auch als versuchten Mord.

Immer wieder, heißt es in den Prozessakten, drohten die Angeklagten per Mail mit weiteren Anschlägen während der Geschäftszeiten, europaweit. „Was das für Ihre Kunden und Mitarbeiter bedeutet, können Sie sich vorstellen“, stand in den Mails.

Angeklagte sind im Grunde geständig

Nach dem dritten Anschlag wurde „nur“ noch eine Million Euro gefordert. Lidl zahlte aber insgesamt nur 27.000 Euro auf ein Pre-Paid-Kredit-Konto. Davon sollen die Angeklagten an Geldautomaten in Bochum, Gelsenkirchen und Herne aber nur 1800 Euro abgehoben haben. Im vorigen Juli wurden sie beim Abheben in Gelsenkirchen von der Kripo beobachtet und festgenommen.

Im Grunde sind sie geständig, sagen ihre Verteidiger Volker Schröder und Reinhard Peters. Die Frau will nur Mitläuferin gewesen sein. Zudem streitet der Angeklagte ab, eine tödliche Verletzung in Kauf genommen zu haben.

Erst am nächsten Prozesstag am 9. Februar wollen sie sich zur Anklage äußern.