Bochum. . Premiere im Prinz-Regent-Theater verzichtet kurioserweise auf Beifall. Wie die Darsteller den schweren Text bewältigen, hätte Jubel verdient.
Diese Aufführung wird in die Geschichte des Prinz-Regent-Theaters eingehen: als erste, die freiwillig auf den Schlussapplaus verzichtet. Als die beiden Schauspieler den Abend für beendet erklären und wieder in ihrem Campingzelt verschwinden, das im hinteren Teil der Bühne aufgebaut ist, erklingt klassische Musik von Bach, und die ganze Szenerie versinkt in einer Art Dämmerschlaf.
Die Zuschauer, merklich irritiert, drehen verwundert ihre Köpfe, klatschen nur zögerlich, nehmen ihre Jacken und gehen. Schon klar, so tickt das moderne Regie-Theater: nie um eine kuriose Idee verlegen!
Aber von vorn: Seit drei Jahren gibt es eine enge Kooperation zwischen dem Prinz-Regent-Theater und der Folkwang-Uni, die es jährlich einem Regie-Absolventen erlaubt, auf großer Bühne Eindruck zu machen und sich damit an anderen großen Häusern zu empfehlen.
Theatermacher beweist gehörigen Mut
Diesmal an der Reihe: Daniel Kunze (29) aus Linz, dessen „Odyssee“ an der Rottstraße 5 bereits ein Erfolg war. Für sein Debüt im Prinz-Regent muss man dem jungen Theatermacher gehörigen Mut attestieren, denn er wählte dafür nicht etwa eine handzahme Komödie, sondern direkt einen echten Brocken: „Kein Licht“ von Elfriede Jelinek.
Darin beschäftigt sich die nobelpreisgekrönte Autorin mit der Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 – ohne diese allerdings explizit zu nennen. Und mehr noch: Das Stück ist eigentlich keins. Es gibt keine Handlung, keine scharf gezeichneten Figuren, keine Art von Entwicklung, an der sich der Regisseur (und auch der Zuschauer) festklammern könnte.
Ellenlange Exkurse über Demokratie und Gesellschaft
Stattdessen breitet die Autorin mit Hochgenuss ihre gefürchteten Textmassen aus, die von Hölzchen auf Stöckchen kommen und die für eigentlich niemandem im Saal zu durchschauen sind. Die ellenlangen Exkurse über Demokratie, Philosophie und Gesellschaft klingen wie eine Sprechoper: Sie sind imposant geschrieben, verlangen den beiden Schauspielern aber alles ab.
Wie Daniel Kunze sie durch dieses Dickicht der verklausulierten Wörter hindurch manövriert, ist ein Spaß für sich. Auf gold schimmernder Bühne (erdacht von Dorothea Lütke Wöstmann) knetet Kunze aus der Vorlage eine pointenreiche Nummernrevue. Gerät der riesige „Prolog“, den Corinna Pohlmann ganz allein in Höchstleistung auf die Bühne bringt, noch zur allzu schweren Kopfgeburt, geht Kunze der zweite Teil leichter, flockiger von der Hand.
Zwei dicht gepackte Theaterstunden
Ein Glück kann der Regisseur dabei auf zwei starke Schauspieler vertrauen, die keine Scheu davor kennen, den Jelinekschen Stier bei den Hörnern zu packen. Corinna Pohlmann und Helge Salnikau (der auch seine Qualitäten als Entertainer ausspielen darf) jagen mit Volldampf durch den schwierigen Text – teilweise sogar synchron und teilweise mit Musik. Pohlmanns Fassung von Michael Jacksons „Earth Song“ mit neuer Öko-Botschaft wird in Erinnerung bleiben.
Gerne hätte man ihnen für diese zwei dicht gepackten Theaterstunden gedankt, doch die Regie hatte andere Pläne. So gibt es für „Kein Licht“ eben auch keinen Applaus. Sei’s drum. Trotzdem: Hut ab.
Zur Person: Daniel Kunze
Daniel Kunze startete eine vielversprechende Fußballkarriere, die er aufgrund einer Verletzung vorzeitig beenden musste. Nach dem Studium der Publizistik in Wien begann er eine Schauspielausbildung bei Heribert Sasse. Es folgten Theaterengagements und die Produktion von Kurzfilmen. Während seines Regiestudiums ab 2013 erarbeitete er eigene Stücke sowie Texte von Tschechow und Werner Schwab und zeigte diese bei Festivals.
„Kein Licht“ wieder am 1. und 2. Februar (jeweils 19.30 Uhr) im Prinz-Regent-Theater. Karten: Tel. 0234 / 77 11 17.