Bochum. . Der mutmaßliche Vergewaltiger aus dem Irak war mit seiner Familie in der Unterkunft „Auf der Heide“ untergebracht. Dort ist der Zutritt verboten.
- Mutmaßlicher Vergewaltiger war zuletzt mit seiner Famile in der Unterkunft Auf der Heide untergebracht
- Das Leben in der Unterkunft geht „normal“ weiter
- Sicherheitsdienst ist besonders aufmerksam und achtet auf ungebetene Gäste
Gerade haben die Männer vom Sicherheitsdienst noch im Container gesessen. Jetzt stehen sie bereits am Eingang der Flüchtlingsunterkunft an der Straße Auf der Heide. Hier war der mutmaßliche Vergewaltiger aus dem Irak zuletzt mit seiner Familie untergebracht. Jetzt sitzt er in Untersuchungshaft, seine Familie ist ebenfalls nicht mehr hier. Menschen, die hier nicht wohnen oder ihren Besuch nicht begründen können, weil sie den Flüchtlingen helfen wollen, dürfen dennoch nicht rein. Das machen die vier Männer, alle groß und schwer und schwarz gekleidet unmissverständlich klar.
Die knapp 15 Meter von ihrem Container bis zum Zaundurchlass am „Eingang“ der Unterkunft haben sie zügigst zurückgelegt. Nicht einer, nicht zwei – alle vier. Menschliche Schlagbäume. Zutritt verboten, sagen sie – auch ohne es explizit zu sagen. Das hat man ja auch schon an einem kleinen Schild am Zaun lesen können. Rein darf man so erstmal nicht. Wenn man es möchte, muss man sich beim Sicherheitspersonal anmelden. Natürlich: Waffen jeglicher Art sind verboten, Drogen auch. Dieses Verbot ist mit kleinen Bildern dargestellt. Und es gibt noch etwas, was nicht funktioniert: Antworten auf Fragen bekommen.
Allerhöchstens hört man den Satz: „Wir dürfen nichts sagen.“ Die Stadt habe das so angeordnet.„Der Zugang in eine Flüchtlingsunterkunft wird nicht möglich sein“, hatte Stadtsprecher Thomas Sprenger bereits mittags auf WAZ-Anfrage mitgeteilt. „Wir haben dies bislang in allen Fällen so gehalten, dass die Menschen einen geschützten Raum brauchen – und dies ist die Unterkunft.“ Die Männer vom Sicherheitsdienst sorgen dafür, dass Sprenger recht behält.
Unterkunft ist kein Gefängnis
Dennoch kommen und gehen natürlich Menschen. Diese Flüchtlingsunterkunft ist kein Gefängnis, auch wenn sie jetzt mit dieser schrecklichen Geschichte in Verbindung gebracht wird. Man sieht ihr das auch nicht an. Das Leben dort geht weiter. Gerade eben hat ein Junge noch Übungen mit seinem Fahrrad gemacht, hat immer wieder quietschend gebremst. Kurz danach läuft ein anderer Junge mit einem Silvesterfeuerwerk, aus dem bunte Funken sprühen, über den Platz an der Unterkunft. Eine junge Mutter kommt mit ihrer kleinen Tochter vom Einkauf zurück. Sie versteht Deutsch, will aber nichts sagen. Sie schüttelt vehement den Kopf.
Die beiden Anwohner, die mit ihren Hunden an der Unterkunft entlang spazieren gehen, schütteln auch den Kopf, reden aber. Nein, sagen beide, etwas Negatives über die hier untergebrachten Menschen könnten sie nicht sagen. Alle seien immer sehr höflich, sie könnten zumeist alle sehr gut deutsch. Ach, der Vergewaltiger sei hier untergebracht gewesen. Deswegen würden sie jetzt keinen anderen Weg nehmen. Sie hätten ja die Hunde dabei. Die Aufklärung der Vergewaltigungen im Umfeld der Ruhr-Uni waren am Dienstag das Thema in Bochum. Die WAZ sammelte Stimmen. In einem Punkt waren sich alle Befragten einig: „Großer Dank gebührt der Polizei.“
CDU: Täter muss das Land nach Verbüßen seiner Strafe verlassen
OB: In Gedanken bei den Opfern
„Der schnelle Fahndungserfolg der Bochumer Polizei ist eine gute Nachricht. Insbesondere für die Menschen, die sich nun im Stadtteil wieder sicherer fühlen können“, kommentierte Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) am Dienstag die Festnahme des 31-jährigen Irakers. „Meine Gedanken sind bei den Opfern, denen ich wünsche, dass sie das ihnen angetane Leid auch psychisch verarbeiten können. Unabhängig davon wer die Taten begangen hat: Sie sind abscheulich.“
CDU: Täter hart bestrafen
„Ich hoffe, dass unser Rechtsstaat in diesem Fall alle Härte anwendet, die man anwenden kann und muss,“ sagt Christian Haardt, Kreisvorsitzender der CDU in Bochum. „Ich hoffe, dass Oberstaatsanwalt Bachmann für den Fall zuständig bleibt, den ich aus meinem Referendariat kenne und den ich für äußerst kompetent halte.“ Es müsse aber jedem klar sein, dass es unter den Menschen, die in Deutschland Zuflucht suchten, immer auch einzelne „kriminelle Elemente“ gäbe. „Der Täter“, so Haardt, „muss auf jeden Fall nach dem Verbüßen seiner Strafe unser Land verlassen.“ Als besonders tragisch bezeichnete der Landtagsabgeordnete, den die WAZ gestern während des CDU-Parteitages in Essen erreichte, „dass die beiden Opfer selbst als Gäste in Deutschland sind“.
SPD: Keinen Generalverdacht
„Ich hoffe, dass diese Nachricht nicht dazu führt, dass alle Flüchtlinge nun unter Generalverdacht gestellt werden. Nicht alle Flüchtlinge sind gut, aber ganz bestimmt sind auch nicht alle böse, sagt SPD-Vorsitzender Karsten Rudolph. Die Unterbringung des tatverdächtigen 31-jährigen Irakers in einem Flüchtlingsheim sei sicher nicht „Kern des Problems, zumal er ja auch mit seiner Familie hier ist“. Unabhängig davon gelte, dass alle Flüchtlinge perspektivisch anders und besser untergebracht werden sollten, so Rudolph.
Linke: Straftäter sind Straftäter
„Wir unterscheiden nicht nach Herkunft und Hautfarbe“, sagt Amid Rabieh, Sprecher der Bochumer Linken. Das gelte auch für Straftäter. „Wir wehren uns grundsätzlich gegen jegliche Form von Pauschalisierung. Straftäter sind Straftäter.“ Auch in dem Fall der Vergewaltigungen an der Ruhr-Uni gehe es letztlich nicht um Flüchtlingspolitik, sondern um das Strafrecht und die mögliche Prävention von Straftaten. „Unser Umgang mit Flüchtlingen und Schutzsuchenden wird dadurch nicht beeinflusst.“
Grüne: Neue Ängste entstehen
„Nachrichten wie diese sind immer schwierig für die Flüchtlingspolitik“, sagt Vicki Marschall, Sprecherin der Bochumer Grünen. Dabei sei hinlänglich bekannt, dass die Kriminalitätszahlen bei Flüchtlingen nicht höher seien als bei Bundesbürgern. Marschall befürchtet, dass der aktuelle Fall neue Ängste schüre und von einzelnen Menschen und Parteien genutzt werde, um sich gegen die Aufnahme von Flüchtlingen auszusprechen. Für die Grünen bedeute dies aber nur, „dass wir unsere Anstrengungen fortführen müssen, die Menschen, die zu uns kommen, schnell zu integrieren.“
AfD: Nicht förderlich fürs Thema
Den schnellen Fahndungserfolg der Polizei führt Markus Scheer, Sprecher der Alternative für Deutschland (AfD), auch auf die Verbreitung der Fahndung und Phantombilder in den sozialen Netzwerken zurück. „Das hilft der Bevölkerung, aufmerksamer zu sein“, vermutet Scheer. „Dass nach aktuellen Meldungen Flüchtlinge für die Taten in Bochum und Freiburg verantwortlich sind, ist nicht förderlich für mehr Verständnis für Flüchtlinge unter den Bürgern.“