Bochum. Das Landgericht Bochum hat eine Anklage wegen Volksverhetzung gegen das NPD-Bundesvorstandsmitglied Thomas Wulff abgeschmettert. Die Entscheidung, obwohl sie rein strafjuristisch getroffen wurde, hat politische Brisanz.
Eine Anklage gegen Volksverhetzung hat jetzt das Landgericht Bochum abgewiesen. Angeklagt ist Thomas Wulff (46), Mitglied des NPD-Bundesvorstands. Die Richter der 6. Strafkammer kamen in einem zehnseitigen Beschluss zu der Ansicht, dass die Inhalte einer Rede Wulffs im vorigen Oktober in Bochum auf der Königsallee nahe Schauspielhaus wohl unter Meinungsfreiheit fielen und nicht strafbar seien.
Richter prüften Anklage wochenlang
Der vorbestrafte Wulff hatte damals auf einer Demo der NPD unter dem Motto „Deutsche, wehrt euch! Gegen Überfremdung, Islamisierung und Ausländerkriminalität” eine Rede gehalten. Die genehmigte Demo führte unter massivem Polizeischutz durch die südliche Innenstadt. Tausende Bürger hatten zuvor gegen die Veranstaltung demonstriert. Als Wullf dann das Mikro in die Hand nahm, soll er laut Anklage zum Hass gegen in Deutschland lebende Menschen ausländischer Herkunft aufgestachelt haben. Unter anderem wurde ein Transparent mit der Aufschrift „Multikulti ist Völkermord” gezeigt.
Die Richter haben die Anklage unter rein strafrechtlichen Gesichtspunkten wochenlang geprüft - und mangels Erfolgsaussicht nicht zugelassen. Die Staatsanwaltschaft hat dagegen jetzt sofortige Beschwerde eingelegt, wie sie der WAZ bestätigte. Es sei aber möglich, dass nach genauerer Prüfung des Gerichtsbeschlusses das Rechtsmittel gar nicht mehr durchgeführt werde. Sollte sie es doch tun, wird das Oberlandesgericht Hamm entscheiden, ob der Prozess gegen Wulff trotzdem durchgeführt wird.
Gerichtssprecher begründet Ablehnung
Der Sprecher des Landgerichts, Thorsten Wienecke, begründete gegenüber der WAZ die Ablehnung der Anklage damit, dass die Strafkammer die angeklagten Äußerungen und Verhaltensweisen Wulffs "zwar für geschmacklos, aber nicht als strafbar erachtet, da diese von der Meinungsfreiheit gedeckt sind".
Dabei sei es „von grundlegender Bedeutung”, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der Grundsatz gelte: Soweit eine Aussage mehrere Deutungsmöglichkeiten zulässt, von denen nicht alle einen Straftatbestand erfüllen, ist zugunsten des Angeschuldigten diejenige zugrunde zu legen, die strafrechtlich nicht relevant ist. Dass Wulff eine multikulturelle Gesellschaft ablehne sowie die Abschiebung krimineller Ausländer und den Widerstand der Bevölkerung fordere, „lässt jedenfalls strafrechtlich irrelevante Deutungen zu”, sagte Wienecke.
Wegen Hakenkreuzfahne im Grab verurteilt
Wulff, der in Mecklenburg-Vorpommern lebt, war erst im vorigen Juni in Passau zu einer Geldstrafe von 1200 Euro (120 Tagessätze) verurteilt worden, weil er in Passau eine Hakenkreuzfahne auf den Sarg eines seiner Gesinnungsgenossen gelegt hatte. Das bestätigte am Mittwoch das Landgericht Passau der WAZ. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig weil die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Offenbar war ihr die Strafe zu milde.