Bochum. . In diesem Jahr mussten 146 Mieter in Bochum zwangsweise ihr Zuhause verlassen. Linksfraktion: „Es gibt zu wenig sozialen Wohnraum, der bezahlbar ist.
- 146 Mieter mussten in diesem Jahr in Bochum zwangsweise ihr Zuhause verlassen
- Linksfraktion fordert mehr sozialen Wohnraum, Stadt kündigt Neubauten an
- Betroffene können sich an den Verein Psychosoziale Hilfen wenden
An beinahe jedem zweiten Tag verlieren Menschen in Bochum zwangsweise ihre Bleibe. Das teilte die Stadt nach einer Anfrage der Linksfraktion im Rat mit. 204 Mietparteien waren im vergangenen Jahr davon betroffen, in diesem Jahr sind bis Mitte Oktober bereits 146 Zwangsräumungen durchgeführt worden.
Dass nicht alle Betroffenen unliebsame „Mietnomaden“ sind, weiß Martin Hinzmann, Sozialarbeiter der Psychosozialen Hilfen Bochum. „Oft verschulden sich diejenigen, die arbeitslos oder krank geworden sind“, sagt er. Sie seien auf Arbeitslosengeld angewiesen, würden es aber nicht schaffen, Folgeanträge für die Finanzierung ihrer Wohnung zu stellen. Und plötzlich wird die Miete nicht mehr gedeckt.
Betroffene sind oft überfordert
„Es ist wie eine Abwärtsspirale: Anfangs kommt ein dickes Problem, und später sind die Betroffenen überfordert und bekommen nichts mehr hin“, sagt Hinzmann. In solchen Fällen wendet sich der Vermieter ans Gericht. Das entscheidet, ob der Mieter die Wohnung verlassen muss oder nicht.
„Dann ziehen die meisten Schuldner freiwillig aus der Wohnung“, sagt Oliver Hoffmann, Direktor des Amtsgerichtes. Wenn sie sich weigern oder ihr Auszug sich verzögert, kommt der Gerichtsvollzieher ins Spiel. „Mit einem Spediteur wird die Wohnung ausgeräumt“, sagt Hoffmann. „Die Möbel werden als Pfand einbehalten, die der Betroffene wieder holen kann.“ Steckt er in einer desolaten Situation, kann die Räumung verschoben werden – nicht aufgehoben.
Stadt kann Darlehen erteilen, wenn Obdachlosigkeit droht
Die Psychosozialen Hilfen Bochum sind in solchen Fällen da. „Wir gehen mit den Betroffenen zu Ämtern oder organisieren in Härtefällen eine gesetzliche Betreuung für die Existenzsicherung“, erklärt Hinzmann. Die Beratungsstelle arbeitet eng mit dem Amt für Soziales und Wohnen zusammen. „Die Stadt bemüht sich, Obdachlosigkeit zu verhindern. Unter bestimmten Voraussetzungen gibt sie Darlehen, um die Miete zu decken und die Menschen vor der unmittelbaren Obdachlosigkeit zu retten“, berichtet Hinzmann.
Die Linksfraktion sieht in den Zwangsräumungen eine „besonders brutale Folge einer verfehlten Sozialpolitik“, wie Horst Hohmeier, Mitglied der Linken im Bochumer Rat, betont. 60 000 Bochumer Haushalte hätten Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. In Bochum gebe es aber bloß 14 000 Sozialwohnungen.
Die höheren Mieten auf dem freien Markt würden nicht vollständig vom Jobcenter übernommen. „Die Betroffenen müssen dann häufig versuchen, das fehlende Geld für Miete und Nebenkosten vom viel zu knappen Regelsatz abzuzwacken“, kritisiert Hohmeier.
Pro Jahr sollen 400 bis 650 neue Wohnungen entstehen
Die Stadt will dem Problem mit neuen Bauvorhaben entgegentreten. „Nach aktuellen Schätzungen müssen in Bochum in den kommenden Jahren rund 400 bis 650 Wohnungen pro Jahr neu gebaut werden“, sagt Tanja Wißing, Sprecherin der Stadt. Auch durch den Zuzug von Flüchtlinge wachse der Bedarf an sozialem Wohnraum. Erste Gespräche mit Investoren und Architekten habe die Stadt Anfang des Jahres geführt. „Konzepte zur Belebung der Bauaktivitäten sind dringend notwendig“, sagt die Stadtsprecherin.
Die Linkspartei hingegen fordert, bereits vorhandenen Wohnraum zu aktivieren und unbenutzten Leerstand in der Stadt zu nutzen.