Bochum. Nach dem Tod eines Mannes in Essen und drei weiteren Opfern räumte ein Bochumer Dealer ein, mit Ecstasy-Tabletten gehandelt zu haben.

  • Gefährliche Tabletten könnten in der Partyszene schon weit verbreitet sein
  • Experten fordern "Drug-Checking" auch in Deutschland
  • Bochumer Krisenhilfe warnt Konsumenten mit Fotos und Aushängen

Die Einnahme einer Ecstasy-Tablette hat nach ersten Ermittlungen der Polizei am Dienstag einen Mann in Essen das Leben gekostet. Drei andere Konsumenten wurden am gleichen Tag in ein Krankenhaus eingeliefert. Sie alle feierten im Club "Frohnatur" und könnten dort die Drogen vom selben Dealer gekauft haben: einem 25-jährigen Bochumer. Die Polizei nahm den Mann nach Zeugenhinweisen vorübergehend fest, er räumte den Handel mit Tabletten in der Diskothek ein. Nun wird geprüft, ob die vier Fälle zusammenhängen und derzeit besonders gefährliche Arten der Droge in Umlauf sind.

Nicht nur die Polizei fürchtet, dass es weitere Opfer durch verunreinigtes Ecstasy geben könnte. "Die Tabletten kommen in Wellen auf den Markt, in immer neuen Schüben", sagt ein Diskotheken-Türsteher, der in zahlreichen Ruhrgebietsstädten tätig ist, auch in Bochum. Vor welchen Clubs genau er eingesetzt wird, möchte er nicht veröffentlicht wissen. Denn seine Auftraggeber, die Diskos, sollen durch das Verhalten ihrer Besucher nicht in ein schlechtes Licht gerückt werden. "Es gibt größere Partys mit 800 Gästen, da holen wir an der Tür bestimmt 80 Pillen bei den Leuten raus. Das ist schlimm, aber schlimmer ist, dass viele trotzdem den Weg hinein finden", sagt der erfahrene Security-Mitarbeiter im Gespräch mit dieser Redaktion.

Unterschiedliche Formen und Farben bieten oft Orientierung für Konsumenten

Der Türsteher zeigt Fotos von bunten Tabletten, die er den Gästen aus der Tasche gezogen hat: orangefarben in Form des Porsche-Logos, kleine gelbe Dominosteine mit unterschiedlicher Augenzahl darauf, Superman-Symbole in grün und rot. "So unterscheiden die Leute die Qualität." Es spreche sich herum, welche Tabletten auf dem Markt für einen besonderen Rausch sorgen. Dann kommen wieder neue aus den Drogenlaboren zu den Dealern, weiter zu den Konsumenten. Der Gehalt des Wirkstoffs, meist MDMA, schwankt - ebenso die Menge der Streckmittel und Verunreinigungen.

Dass die Polizei bisher noch nicht mitgeteilt hat, von welchen Tabletten derzeit wohl besonders große Gefahr ausgeht, welche Form und Farbe sie haben, hält der Türsteher für "fahrlässig". "Das klingt bescheuert, aber es würde funktionieren wie eine Rückrufaktion von Babynahrung: 'Die Tabletten in Form X und Farbe Y sind gefährlich.' Dann könnten die Leute nachschauen, ob sie das vielleicht schon gekauft haben."

Beim Bochumer Drogenhändler wurden verschiedene Tabletten gefunden

Die Polizei verfolgt allerdings einen anderen Ansatz. Da der Bochumer Drogenhändler an diesem Abend verschiedene Pillen verkauft hat, könnten potenziell alle besonders gefährlich sein. Würde man bekanntgeben, welche Tabletten bei dem Mann gefunden wurden, könnte das Besitzer anderer Sorten zum Schluss verleiten, ihre seien weniger gefährlich. Dieses Risiko, sagt ein Polizeisprecher, wolle man nicht eingehen.

Wahrscheinlich ist, dass nicht nur die Besucher der Diskothek in Essen Tabletten dieser Art gekauft haben. Ebenso wird kaum nur dieser eine Bochumer Drogenhändler genau diese eine Charge aus einem Labor verkauft haben. Denn die Tabletten aus gepresstem Pulver werden in großen Mengen hergestellt und über verschiedene Zwischenhändler und Dealer weiterverkauft. "Damit wird nicht nur ein Mensch beliefert. Da man wohl bei dem Mann zu Hause noch einige Drogen gefunden hat, kann man davon ausgehen, dass er regelmäßig Pillen auf den Markt schmeißt", sagt Silvia Wilske von der Jugend- und Drogenberatung Krisenhilfe in Bochum. "Und es ist auch durchaus möglich, dass der Dealer selber nicht wusste, was er da hat."

Drug-Checking durch Labore ist in anderen Ländern erlaubt

Das Risiko, dass die Drogen nicht nur die von den Konsumenten erwünschte Wirkung zeigen, sondern auch Reaktionen auf Beimischungen und Verunreinigungen hervorrufen, gehen die Käufer immer ein. In anderen Staaten, beispielsweise in den Niederlanden, Österreich und der Schweiz, wurde deshalb das Drug-Checking legalisiert. Konsumenten können Wirkstoffgehalt und Zusammensetzung von ihnen erworbener Drogen in Laboren testen lassen. So wird, wenn es schon zu einem Konsum kommt, die Sicherheit erhöht.

Die Krisenhilfe Bochum warb schon vor rund 20 Jahren bei der Politik dafür, ein solches Angebot zu ermöglichen. Die Gesetzeslage in Deutschland verhindert das allerdings, auch wenn das Drug-Checking in Einrichtungen in Berlin und Hannover kurzzeitig angeboten wurde. "Ich bin nach wie vor der Meinung, dass man vor entsprechenden Diskotheken mit so einem Angebot stehen sollte", sagt Wilske.

Erfahren die Mitarbeiter der Bochumer Krisenhilfe von verunreinigten Tabletten, machen sie durch Aushänge darauf aufmerksam. "Seid vorsichtig, da ist was in Umlauf, das tödlich sein kann", dazu die Beschreibung der verdächtigen Tabletten - so könne man die Zielgruppe besser erreichen als durch generelle Tabuisierung. Der größte Teil der jungen Menschen ende nach der "Experimentierphase" auch nicht in der Abhängigkeit. "Die Anzahl derer, die in ihrem Leben etwas ausprobieren und wieder sein lassen, ist viel größer." Eben die könne man durch solche Informationen wenigstens etwas besser schützen.

Privatleute können sich bei unbekannten Substanzen an Viersener Klinik wenden

In einem sehr engen Rahmen kann die LVR-Klinik Viersen solche Informationen bieten. In Deutschland machen sich Labore strafbar, wenn sie wissentlich Drogen annehmen und untersuchen. In Viersen werden deshalb ausdrücklich nur unbekannte Substanzen auf Arzneimittel und Suchtrelevante Stoffe geprüft, erklärt Luzia Schaaf von der Klinikapotheke. Die Proben werden häufig eingesandt von Schulen, Kinderheimen oder besorgten Eltern, die bei ihren Kindern fündig werden. Das sei kein Drug-Checking, betont Schaaf. "Es ist eine feine Linie."

Dass sich auch Konsumenten an das Labor der Klinik wenden, um über die Inhaltsstoffe der von ihnen gekauften Drogen informiert zu werden, kann nicht ausgeschlossen werden. Die Überprüfung und abschließende Aufklärung über die Substanz läuft anonym ab. "Wir geben keine Gehaltsangaben, sondern sagen nur, was wir gefunden haben. Wenn viele Verunreinigungen oder Streckmittel enthalten sind, geben wir auch das an", sagt Schaaf. 25 Euro kostet eine Analyse. "Wir wollen damit kein Geld verdienen, sondern sehen das als Angebot für Menschen, die ein Problem haben. Ich würde mich freuen, wenn es das Drug-Checking auch in Deutschland gäbe. Aber das ist meine private Meinung."