Bochum. . In einem aufwändigen Wirtschaftsprozess sind fünf Männer angeklagt. Sie sollen mit dem „Umsatzsteuer-Karussell“ 50 Mio. Euro Schaden angerichtet haben.

  • Fünf Männer stehen seit Montag wegen bandenmäßiger Steuerhinterziehung vor dem Landgericht
  • Sie sollen mit dem „Umsatzsteuer-Karussell“ rund 50 Millionen Euro Steuerschaden angerichtet haben
  • Die Verlesung der Anklageschrift dauert zwei Sitzungstage

Dieser Wirtschafts-Prozess sprengt die üblichen Maßstäbe. Es geht um bandenmäßige Steuerhinterziehung in ganz großem Stil. Knapp 50 Millionen Euro Schaden beim Fiskus sollen fünf Angeklagte (25 bis 53) angerichtet haben, die seit Montag vor dem Bochumer Landgericht stehen.

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Ihre Masche war laut Anklage das so genannte „Umsatzsteuer-Karussell“, ein hochkompliziertes System der organisierten Kriminalität. Es missbraucht das Recht auf Vorsteuerabzug. Pro Jahr soll damit dem deutschen Fiskus ein Schaden in Höhe von mehreren Milliarden Euro entstehen. Dabei werden Waren aller Art – in diesem Fall vor allem „Kioskware“ wie Getränke, Lebensmittel und Zigaretten – von verschiedenen Handelsfirmen und Scheinfirmen im In- und Ausland immer wieder im Kreis weiterkauft. Indem am Ende der Lieferkette eine an dem Karussell beteiligte Scheinfirma plötzlich still und spurlos vom Markt verschwindet, entgeht dem Staat die fällige Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent. Auf diese Weise soll es der jetzige Hauptangeklagte (53), Chef einer Dortmunder Handelsfirma, ermöglicht haben, dass Betreiber von Kiosken und anderen Geschäften ihre Waren „schwarz“, also zum Nettopreis, einkaufen konnten. Die Anklage wirft ihm 220 Fälle zwischen 2009 und 2015 vor. Tatort soll auch Bochum sein.

Verlesung der Anklage dauert zwei Tage

38 Prozessbeteiligte sitzen jetzt und in den nächsten Monaten im größten Sitzungssaal des Gerichts: neben den fünf Angeklagten (vier in U-Haft), zwei Staatsanwältinnen. Hinzu kommen Wachtmeister, Richter und Ersatzrichter, Verteidiger, Dolmetscher, eine Protokollführern, eine Finanzbeamtin. Allein die Verlesung der Anklageschrift dauert zwei Tage. Richter Michael Rehaag sagte zum Prozessauftakt: „Ich habe mit der Staatsanwältin vereinbart, Verlesungsblöcke von je 1,5 Stunden einzulegen." Dazwischen erholen sich die Prozessbeteiligten in einer Pause von der riesigen Flut an Zahlen, Paragrafen, Vorschriften, Waren, Firmennamen und Geschäftsvorgängen.

Ermittelt hat den Fall die Bochumer Staatsanwältin Koch. Im August 2015 waren unter ihrer Federführung frühmorgens 25 Verdächtige verhaftet worden. Es drohen langjährige Haftstrafen. Erst im vorigen Frühjahr hat eine Bochumer Strafkammer einen Umsatzsteuer-Betrüger zu sieben Jahren Haft verurteilt. Weitere Beschuldigte stehen bald in einem weiteren Prozess vor Gericht. Bereits im Ermittlungsverfahren gab es viele Geständnisse. Schließlich ist die Beweislage „sehr gut“, wie Koch in einem WAZ-Gespräch vor knapp einem Jahr sagte. „Es sind alles Papierbeweise.“ Also aussagekräftig, belastbar und objektiv.