Eisenbahngeschichte: Viel Verkehr am Bahnhof Gussstahl
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Bochum. Der Bahnhof an der Alleestraße hatte seine große Zeit um 1900. Auch die Nähe zum Rotlichtviertel sorgte für reichlich Fahrgäste.
Bahnhöfe gab und gibt es viele in der langen Bochumer Eisenbahngeschichte, ein besonderer war der Bahnhof Gussstahl. Kaum jemand kann sich an die Station, die unmittelbar an die Innenstadt grenzte, erinnern. Kein Wunder, hatte sie ihre große Zeit Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts.
Der Bahnhof befand sich an der Alleestraße, ungefähr da, wo heute der Edeka-Supermarkt steht. Die Station selbst ist in späteren Jahren, 1979 um genau zu sein, im Haltepunkt „Bochum-West“ aufgegangen, der heute im Halbstunden-Takt von der Glückaufbahn von Bochum nach Gelsenkirchen bedient wird.
Hüttenwerk hatte seit 1875 einen eigenen Bahnhof
Der ursprüngliche Bahnhof Gussstahl war 1875 genehmigt worden und bald darauf in Betrieb gegangen. Die Vorgeschichte hängt auch mit dem Bochumer Verein für Gußstahlfabrikation zusammen. Das Hüttenwerk war Ende des 19. Jahrhunderts ein bedeutender Montanbetriebe und verfügte seit 1867 über einen Bahnanschluss, allerdings nur für den Güterverkehr.
Blick in die Stadtgeschichte
Vieles, was einmal in Bochum war, ist inzwischen vergessen. Aber manches wissen die alten Bochumer noch von früher. Und die jungen sind neugierig, es zu erfahren.
Mit „Bochum historisch“ wirft die WAZ einen Blick in die Stadtgeschichte. Unter dem Motto „So sah Bochum einmal aus“ werden verschwundene und noch sichtbare Gebäude besucht.
Wegen des großen Anklangs, den die Reihe findet, ist „Bochum historisch“ im Herbst 2016 auch als Buch im Klartext-Verlag erschienen. ISBN: 978-3-8375-1674-6; 12,95 Euro.
Übrigens: Jürgen Boebers-Süßmann, der Autor von "Bochum historisch", ist auch auf Facebook.
Die Stadt hätte aber gern auch einen Personenbahnhof in Innenstadtnähe gehabt; den späteren Hauptbahnhof am heutigen Konrad-Adenauer-Platz gab es noch nicht. So entstand mit dem Bahnhof Gussstahl im Bochumer Westen eine öffentliche Haltestelle, die von allen (nicht nur von Werksangehörige) genutzt werden konnte.
Durch das stark bebaute Umfeld und den Belegschaftsverkehr vor allem des Bochumer Vereins entwickelte er sich schnell zum beliebten Vorortbahnhof Bochums. Direkt an der Wattenscheider Chaussee gelegen, war er gut zu erreichen und verfügte über ein großzügig bemessenes Empfangsgebäude.
Ausreichende Zahl von „Dämchen“
Hier herrschte immer viel Betrieb, und das im doppelten Sinne, denn nahe des Bahnhofs Gussstahl entstand später Bochums Rotlichtviertel. 1912 hatte die Stadt den Bordellbezirk in Hamme bei der Zeche Präsident an die damalige Maarbrücker Straße verlegt – die heutige Gussstahlstraße, die damals bis zur Christuskirche reichte, den Bahnhof Gussstahl also fast berührte.
Der „Sextourismus“ spielte seinerzeit in Bochum eine große Rolle. „Jedes Wochenende bringt die Eisenbahn eine ausreichende Zahl von ,Dämchen’ auf den Bahnhof, woselbst hunderte von Mannspersonen sie in Empfang nehmen“, heiß es in einer Chronik. Durch den Sperrbezirk wollte die Stadt der wilden Prostitution Herr werden. Der Bahnhof Gussstahl sorgte also auch in dieser Hinsicht für Verkehr.
Mit dem Hauptbahnhof nahm Bedeutung des Bahnhof Gussstahl ab
Die Ära des Bahnhofs währte nicht allzulange. Mit der Eröffnung des neuen, großen Hauptbahnhofs um die Jahrhundertwende nahm die Bedeutung der Station mehr und mehr ab. 1937 wurde ihre Aufgabe beschlossen, und im Bahnhofsgebäude das Reichsbahnbauamt untergebracht. Ein Bombentreffer 1944 setzte dem Bahnhof Gussstahl ein schnelles Ende.
Nach dem Krieg spielte die Vorortstation keine Rolle mehr. Erst 1979 kam mit dem Haltepunkt Bochum-West der Personenverkehr zurück, als die damalige Nokia-Bahn, heute Glückaufbahn in Betrieb ging. Die Bahnsteige der Station befinden sich unmittelbar über der Gussstrahlstraße und fußläufig zum Bordell „Im Winkel“. So ist Bochum vielleicht die einzige Stadt, in der der „Puff“ sozusagen einen eigenen Gleisanschluss hat.
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