Bochum. Das Bermudadreieck kann auf eine jahrzehntelange Historie zurückblicken und ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. So fing alles an.
„Unser Herzblut hängt an diesem Viertel. So etwas wie hier kann man nicht künstlich erschaffen“, sagt Dirk Steinbrecher, der Betreiber des Mandragora – der Wurzel des Bermudadreiecks. Er hat miterlebt, wie sich Bochums Kneipenviertel in den 1970er Jahren aus sich selbst heraus entwickelte und ist bis heute einer der wichtigsten Akteure vor Ort.
Bis 1956 war der Alte Katholikentagsbahnhof in Betrieb, gegenüber lag schon damals der Handelshof. „Es war lange Zeit das Zentrum der Innenstadt“, so Steinbrecher. Als dann der Hauptbahnhof zum jetzigen Standort umgesiedelt wurde, sei das Viertel verödet: „Es gab keine Gastronomie und viele Leerstände. Hier war Totentanz!“
Von Christina Finke (Text) und Leonie Bergami (Multimedia)
Damals war Bochum noch geprägt von Kohle, Stahl und Industrie: „Doch dann hat die Ruhruni ihren Lehrbetrieb aufgenommen und Tausende Studenten kamen in die Innenstadt.“ Auf der Suche nach Orten an denen sie sich treffen, feiern, trinken und reden können, hätten sie sich notgedrungen in Eisdielen getroffen.
Ende der 1960er Jahre mietete ein gewisser Leonard Bauer dann mit der Pinte die erste Gaststätte an und löste damit eine Welle aus: „Es gab viele freie Flächen und die jungen Leute haben diesen Raum nach und nach erobert“, erinnert sich Steinbrecher. Anfang der 70er Jahre übernahm Bauer dann auch das Mandragora – das allerdings bis 1976 wegen des Schriftzuges auf dem Handelshofgebäude noch Treffpunkt hieß. „Die Leute haben viel ausprobiert und langsam aber sicher entwickelte sich der Ort zu einem In-Viertel. Bermudadreieck, Schauspielhaus und andere Institutionen machten es zu einem Schmelztiegel der Kreativen“, sagt Steinbrecher. Der Begriff Bermudadreieck tauchte dann zum ersten Mal in den 1980ern auf und etablierte sich schnell. Nur sechs Jahre später fand das erste Bochum-Total-Festival auf zwei selbstgezimmerten Bühnen statt.
Probleme mit dem Ordnungsamt – etwa weil Besucher auch bis in die späten Abendstunden draußen saßen – habe es damals nicht gegeben. Man habe erkannt, dass sich etwas entwickelt und die Akteure in einem gewissen Rahmen agieren lassen. Der Betreiber des Mandragora sagt sogar: „Die beste Zeit war die, als sich die Stadtverwaltung nicht darum gekümmert hat. Die Leute kamen aus ganz NRW, hier war der Bär los.“ Ins Blickfeld der Stadt sei das Bermudadreieck laut Steinbrecher erst Ende der 1990er Jahre geraten: „Bei einer Analyse der Innenstadt durch eine Agentur wurde erkannt, dass ein Kneipenviertel direkt in der Innenstadt – noch dazu mit dem einzigen innerstädtischen Biergarten – etwas besonderes ist.“
Mit steigender Beliebtheit, stiegen allerdings mit den Jahren auch die Mieten für Ladenlokale: „Irgendwann professionalisiert sich ein Viertel“, sagt Steinbrecher. Dann seien auch Gastronomie-Ketten in das Viertel gezogen – Stammkneipen zu erhalten, sei ganz klar schwieriger geworden.
„Hier im Bermudadreieck ist es gelungen, dass auch die Akteure von den Anfängen noch mit dabei sind.“ Mit der Eröffnung des Freibeuters vor rund zehn Jahren habe man beweisen können, dass es auch heute noch möglich sei, Szenekneipen neben Kettengastronomie zu etablieren.
Gute Zusammenarbeit der Akteure
Den Begriff „Viktoriaquartier“ verwendet Dirk Steinbrecher bewusst nicht, wenn er über die Entwicklungen rund um das Bermudadreieck spricht. „Dieser Name ist für mich reine Fördermittelprosa“, sagt er.
„Bis Mitte der 90er hat uns die Stadt hier in Ruhe gelassen.“ Sie könne zwar die Rahmenbedingungen für die Entwicklung eines solchen Viertels schaffen, die Kreativität aber komme von innen heraus. Vor Jahren habe die Verwaltung versucht, Gaststätten zu uniformieren – also das äußere Erscheinungsbild der Kneipen, Cafés und Gaststätten zu vereinheitlichen.
„Dabei kommt es darauf an, so wenig wie möglich zu reglementieren. Der Markt entscheidet, was angenommen wird“, sagt Steinbrecher. Die Zusammenarbeit der Akteure innerhalb des Viertels sei gut: Beispielsweise steht die alte Theaterbestuhlung aus dem Riff mittlerweile im Theater Rottstraße 5.
Zusammen mit den Akteuren nach Lösungen suchen
Völlig verschlossen steht der Betreiber des Mandragora der Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung aber nicht gegenüber: „Man muss zusammen mit den Akteuren vor Ort überlegen, wie die Entwicklung weiter vorangetrieben werden kann.“ Nur so könne eine Stadt sich entwickeln und mit der Konkurrenz aus Nachbarstädten mithalten.
Nur wenn die Gastronomie funktioniert und gewinnbringend betrieben werden kann, können die Inhaber auch Kultur anbieten. Deshalb hofft Steinbrecher, dass die Stadt auf der Fläche City-Tor-Süd etwas anbietet, was noch mehr Kreative in die Innenstadt zieht. „Außerdem hat sich das Ausgehverhalten der Leute über die Jahre verändert. Sie wollen beispielsweise immer länger draußen sitzen – egal ob im Sommer oder im Winter.“ Auch hier müsste man gemeinsam nach Lösungen suchen.
Steinbrecher hofft diesbezüglich in Zukunft auf einen Umbruch in der Stadtverwaltung durch Oberbürgermeisters Thomas Eiskirch: „Wir geben die Hoffnung nie auf!“
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