Bochum. . Besonders der Stadtteil Ehrenfeld ist für Unternehmen und Gründer ein interessanter Standort. Beim Stammtisch tauschen sie sich aus.
Autoren, Filmemacher, Musiker, bildende und darstellende Künstler, Architekten, Designer – sie alle arbeiten in der Kreativwirtschaft. Der Beitrag dieser Branche zur volkswirtschaftlichen Gesamtleistung betrug im vergangenen Jahr über 67 Milliarden Euro (2,4 Prozent). Damit ist sie vergleichbar mit Industriesektoren wie Automobile, Maschinenbau, Chemie oder der Energieversorgung.
Auch in Bochum wurde das Potenzial der Kreativwirtschaft erkannt. Waren im Jahr 2006 noch etwa 6600 Menschen in der Kreativwirtschaft erwerbstätig – was der Größenordnung der Bauwirtschaft entsprach, sind es heute schon rund 7800 Beschäftigte in 870 Unternehmen. Typisch für die Branche: Weniger als die Hälfte dieser Erwerbstätigen sind sozialversicherungspflichtig beschäftigt, viele von ihnen sind selbstständig oder freiberuflich tätig. „Mit seinen kreativen Dienstleistern, Künstlern und Kulturschaffenden ist Bochum eines der kreativen Zentren in der Metropole Ruhr“, sagt Marion Behn von der Wirtschaftsförderung.
Der Plan des Entwicklungskonzepts zum Viktoriaquartier von 2008 scheint im Hinblick auf das Thema Kreativwirtschaft aufgegangen zu sein. „Der Stadtteil Ehrenfeld ist zwischenzeitlich ein etablierter Standort für Kreativunternehmen geworden“, so Behn. Kreative würden das urbane Umfeld mit einer Mischung von Kunst, Kultur, Kneipen und Cafés sowie Einkaufsmöglichkeiten schätzen. Auch die Nutzung der Rottstraße 5-Kunsthallen für verschiedene Veranstaltungen für Akteure der Kreativwirtschaft sei von hoher Bedeutung für diese Entwicklung.
Vielfalt an Unternehmen
Die Kommunikationsagentur „Go Between“ ist nach Ehrenfeld umgezogen und auch das Möbel- und Dekogeschäft Riccio hat seinen Sitz hier. Außerdem befindet sich die „Take off“- Schauspielschule an der Hattinger Straße und Urbanatix hat mit dem „Open Space“ im Bessemer Park einen dauerhaften Standort gefunden. Aber auch im Bermudadreieck haben sich Unternehmen angesiedelt oder sind expandiert. „Prominentestes Beispiel ist aktuell das Start-up-Unternehmen ,employour’ aber auch ,9elements’“, so Behn.
Auch Stefan Gerth ist Unternehmer – genauer gesagt Geschäftsführer der „webschmiede GmbH“ mit Sitz in Ehrenfeld. Die Firma betreibt den Online-Bewerbungsservice „Die Bewerbungsschreiber“. „Als Angestellter war ich unbrauchbar“, gibt der 31-Jährige lachend zu. Deshalb gründete er nach dem Studium und einem Jahr als Angestellter eine eigene Firma, die er zusammen mit seinem ehemaligen Kommilitonen Holger Manzke leitet.
Dass Bochum als Standort in der Gründerszene noch nicht so bekannt ist wie beispielsweise Köln oder Berlin, ist für den 31-Jährigen keineswegs ein Nachteil: „Für Unternehmer bedeutet das weniger Konkurrenz.“ Auch sei die Nähe zu den Hochschulen hilfreich, um gute Mitarbeiter zu finden. „Für Unternehmen ist Ehrenfeld ein extrem attraktiver Standort“, sagt Stefan Gerth. Die Vorteile liegen für ihn auf der Hand: beispielsweise die Nähe zur Innenstadt und die gute Infrastruktur. „Hier ist alles nah beieinander. Die IHK, viele Cafés, um sich mit Geschäftspartnern und Kunden zu treffen, und bezahlbarer Wohnraum. Kurze Wege ersparen im Alltag jede Menge Zeit – und Zeit ist Geld“, so der Unternehmer.
Deshalb findet auch die fünftägige urbane Weinmesse „Weine vor Freude“, die Gerth zusammen mit Oliver Sopalla organisiert, im Quartier statt: „Wir vergessen jedes Mal irgendwas, sind dann aber schnell unterwegs.“ Das Event zu organisieren ist für Gerth eine Abwechslung zur Arbeit bei den Bewerbungsschreibern: „Das mache ich einfach nur, weil’s Bock macht.“
Gründer tauschen sich beim Stammtisch aus
Alle zwei Monate organisiert Stefan Gerth einen Gründerstammtisch, der jungen Bochumer Unternehmern ein Forum zum Austausch bietet. Vor ein paar Jahren bot er den Initiatoren Sarah Ziegler und Sebastian Klein Hilfe an, mittlerweile organisiert er die Treffen allein. Viele kommen regelmäßig, andere nur jedes dritte Mal und immer wieder kommen auch neue Teilnehmer dazu. „Dass sich so eine Veranstaltung aus der Szene heraus entwickelt, ist einzigartig im Ruhrgebiet“, so Gerth. Doch auch wenn die Treffen unabhängig von der Wirtschaftsförderung stattfinden, nehmen auch deren Mitarbeiter Marion Behn und Gregor Tischbierek oft freiwillig an den Gründerstammtischen teil.
Außer einer kurzen Begrüßung und einer Vorstellungsrunde gibt es keine Programmpunkte – jeder der Teilnehmer weiß, was er will und es entwickelt sich eine Eigendynamik. „Das konzeptlose Konzept kommt ziemlich gut an“, sagt Gerth.
Unternehmer erzählen von ihrem Weg zum Erfolg
Die Idee zum „BizSlam“ – kurz für Buisiness Slam, also Kurzvorträgen zu Geschäftsideen – kam bei einem der Gründerstammtische zustande und wurde zu einem Gemeinschaftsprojekt von Stefan Gerth und der Wirtschaftsförderung. Das Konzept des Formats: In je acht Minuten erzählen fünf Gründer unterhaltsam und informativ ihre Geschichte oder Anekdote und im Anschluss können Zuschauer Fragen los werden.
Den Anfang machte im November Christoph Kemper von Kemper Amps, der von jemandem erzählte, der ihm bei den ersten Schritten der Gründung half, danach aber selbst auf der Strecke blieb. Julia Bernecker berichtete vom chaotischen Weg zur Eröffnung des Kugelpudels am Kortländer und wie ihr Nachbarn sowie weitere Neugründer aus dem Kiez bei diesem Abenteuer zur Seite standen. Außerdem gab es noch die Geschichte von Susanne Stewen-Siepler und ihrem Taschenklub, der eigentlich ein reiner Onlineshop werden sollte, sich dann aber erst einmal zum genauen Gegenteil entwickelte. Christian Zenger, einer der Gründer von Physec, hielt einen Vortrag über die Hackerhochburg Bochum und Sebastian Deutsch von „9elements“, der in der Softwareentwicklung arbeitet, berichtete von der Zusammenarbeit mit dem Start-up „employour“. Das Publikum applaudierte am lautesten für Christian Zenger – der damit den ersten „BizSlam“ gewann.
Eine Wiederholung ist bereits angedacht: Im Januar wollen sich Gerth und Wirtschaftsförderung erneut zusammensetzen. „Es wird wohl auf einen Termin im Mai oder Juni hinauslaufen“, so Gerth.