Bochum. . Die Abwehr muss verhältnismäßig sein, also „nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen“, sagt Polizeisprecher Axel Pütter. Tierabwehrsprays sind legal.
Einbrecher im Haus oder Räuber auf der Straße wollen schnelle Beute machen. Doch hat die Polizei in den vergangenen Monaten immer wieder auch Überfälle melden können, bei denen sich Opfer erfolgreich zur Wehr gesetzt haben. Darunter sogar eine Seniorin, die auf der Straße beraubt werden sollte oder ein älterer Nachbar im Haus, der den Einbrecher bemerkt hat. WAZ-Redakteurin Ellen Wiederstein sprach über das Thema „Notwehr“ mit dem Bochumer Polizei-Pressesprecher Axel Pütter.
Der Passant, ob der Jugendliche oder die Oma, wird auf der Straße von einem oder mehreren Tätern angegriffen. Da der Besitz von Waffen in Deutschland streng geregelt ist, werden weder das junge noch das ältere Opfer gleich zum Messer oder zur Pistole greifen. Wie können sich Bürger, gleich ob junge oder alte, wehren?
Axel Pütter: Zunächst gilt, wer angegriffen wird, hat das Recht, sich zu verteidigen. Dazu gibt es den Notwehrparagrafen 32, Strafgesetzbuch (StGB). Der besagt: Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig. Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Die Notwehr muss aber im Verhältnis stehen.
Verhältnismäßigkeit: Wie ist diese definiert?
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Axel Pütter: Nun, es darf – im übertragenen Sinne – nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen werden. Das heißt, das im Rahmen der Notwehr eingesetzte Mittel darf nicht außer Verhältnis zu dem Angriff des Täters stehen. Wenn Einbrecher oder Räuber handgreiflich werden, muss sich das Opfer wehren dürfen. Also auch mit Gegenständen, die greifbar sind, wenn es die Situation erfordert. Meiner Erfahrung nach ist es aber in den meisten Fällen so, dass sich die Täter schnell aus dem Staub machen, wenn sie das Gefühl haben, entdeckt zu werden, also eine Gegenwehr, etwa laute Hilferufe des Opfers, erfolgt.
In solchen bedrohlichen Notsituationen wird nicht jedes Opfer die Nerven behalten und die Verhältnismäßigkeit erkennen können. Darf etwa der Mieter einen Baseballschläger im Flur stehen haben? Welche Abwehr-Möglichkeit hat der Passant?
Axel Pütter: Das Opfer sollte versuchen, besonnen zu reagieren. Das ist bei einem plötzlichen Angriff und in einer derartigen Stresssituation sicherlich schwierig. Auf der Straße helfen meistens laute Hilferufe. Wenn ein Bewohner den Eindruck hat, im Haus ist ein Einbrecher, am besten direkt die 110 wählen, die Polizei verständigen. Eine Konfrontation mit dem Täter ist möglicherweise gefährlich, da man nie weiß, wie er reagiert, wenn er sich ertappt fühlt. Wir raten, den Täter mit viel Krach zu vertreiben, z.B. mit dem „Schrillalarm“ bzw. „Personenalarm“. Hier gibt es handliche Geräte, die man in der Tasche mitführen kann. Der schrille Ton bewirkt häufig eine Schockreaktion. Dem Opfer soll die Schrecksekunde ermöglichen, den Täter in die Flucht zu schlagen oder selbst zu fliehen.
Dürfen Bürger Pfefferspray besitzen? Und wenn ja, welches?
Axel Pütter: Pfeffersprays, die als „Tierabwehrsprays“ dienen, unterliegen nicht dem Waffengesetz, da sie von ihrem Wesen nach nicht dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, sondern ausschließlich die der Tiere zu beseitigen bzw. zu mindern. Sie werden daher nicht als Reizstoffsprühgeräte angesehen, die dem Waffengesetz unterliegen. Der Reizstoff im Pfefferspray muss in Deutschland als gesundheitlich unbedenklich zugelassen sein, die Reichweite und Sprühdauer muss auf bis zu zwei Metern begrenzt sein. Das Pfefferspray muss außerdem ein Prüfzeichen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt enthalten.
Nun werden Sie sicher nicht dazu aufrufen, dass sich jeder Bürger bewaffnet.
Axel Pütter: Nein, bestimmt nicht. Ich weise noch einmal auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hin. Und darüber, ob mein Handeln gerechtfertigt war oder nicht, entscheidet letztendlich der Richter. Unserer Erfahrung nach, wollen die meisten Einbrecher und Straßenräuber schnelle Beute machen und unerkannt entkommen.
Der Schrillalarm: Kleines Gerät – große Wirkung
Das Gerät soll klein, handlich und laut sein. Es ist mit ca. drei Knopfzellen bestückt und an einer kleinen Kette mit Schlüsselring befindet sich ein Metallstift, der herausgezogen wird. Es ertönt dann ein bis zu 140 Dezibel lauter Ton.
Dieser Ton bewirkt beim Täter häufig eine Schockreaktion. Der Personenalarm soll nicht in der Hand gehalten werden. Damit der Täter es nicht sofort findet und zerstören kann, soll es dorthin geworfen werden, wo es solange Krach macht (z.B. Gebüsch), bis die Batterien verbraucht sind. Kosten: Zwischen zehn und 30 Euro.