Bochum.. An der Goethe-Schule in Bochum besuchen erstmals in der Stadt Jugendliche aus Krisengebieten sofort die Oberstufe am Gymnasium. Sie lernen nur ein Jahr länger.

In ihrer Heimat wollte Joanna Deeb jetzt Medizin studieren. Die 18-Jährige hatte die Schule abgeschlossen. Dann musste sie ihr vom Krieg erschüttertes Heimatland Syrien verlassen.

Seit November besucht sie die Goethe-Schule in Bochum und erhält die Chance, ein in Deutschland anerkanntes Abitur zu machen. „Die Sprache ist das Schwierigste, aber die muss ich halt lernen“, sagt sie. Gemeinsam mit Deeb lernen insgesamt 15 Syrer und Albaner in einer Klasse Deutsch. Sie sind die ersten Jugendlichen in der Stadt, die sich auf direktem Weg auf einem Gymnasium auf das Abitur vorbereiten. Die Qualifikationsphase für die Zulassung ist auf zwei Jahre angelegt. Danach müssen die Schüler im regulären Unterricht der Stufen elf und zwölf mithalten können.

50 Sprachen an einer Schule

„An unserer Schule sind rund 50 Sprachen vertreten und ich bin jetzt total stolz auf dieses bunte Bild“, sagt der stellvertretende Schulleiter Berthold Jäger. Um die Integration und den Schulalltag der Neuzugänge zu fördern, setzt die Schulgemeinschaft ihre alteingesessenen Schüler als Sprachpaten ein, die sich um das Verständnis kümmern.

Die 27-Jährige unterrichtet die syrisch-albanische Klasse in Deutsch als Fremdsprache. „Sie haben eine ganz andere Motivation, sie wollen ständig Tests schreiben und Lektionen überspringen“, berichtet sie aus dem Unterricht. Außer der Sprache lernen die Schüler etwas über Erdkunde, Politik und Geschichte. „Das ist im Moment vor allem Ortskunde und soll praktisch ins Leben einführen“, so Tietze. Ansonsten pauken sie Mathe und haben einige Stunden Sportunterricht.

Neue Aufgaben für das Gymnasium

Die neue Aufgabe für das Gymnasium wird von Lehrern und Schulleitung begrüßt: „Es macht Sinn, aber es ist auch ein harter Brocken“, so Berthold Jäger. Obwohl es eine starke Klasse sei, gebe es auch Schüler, die den Anforderungen im Abitur voraussichtlich nicht gewachsen sein werden. „Am Gymnasien haben wir zum Beispiel keine Erfahrung mit Ausbildungsplätzen, uns fehlt da einfach die Infrastruktur“, so Jäger. Die Perspektiven und die Begleitung der Schüler auszuloten, sei nun eine der ganz großen Herausforderungen, so Jäger.

Einige Schüler haben aber auch schon jetzt eigene Ideen wie Ebrahim Jakoub (17): „Ich möchte Programmieren studieren“, sagt er.

Klasse an Goethe-Schule ist ein Pilotprojekt am Gymnasium

Allein in diesem Jahr hat das Kommunale Integrationsbüro der Stadt 391 Kinder aus Flüchtlingsfamilien in die Primarstufe, 376 in die Sekundarstufe I und 371 in die Sekundarstufe II vermittelt.  Bislang wurden alle Kinder, die altersbedingt in die Sekundarstufe II gehören, in Weiterbildungs- und Berufskollegs untergebracht „Die waren jetzt einfach voll und ich hoffe, dass sich das Projekt an der Goethe-Schule bewährt. Der Zugang zur gymnasialen Oberstufe ist für diese Altersgruppe die einzige Chance, an das Abitur zu kommen“, so Susanne Köllner, Leiterin des Kommunalen Integrationsbüros.

Um einzuschätzen, in welche Schulform das Kind oder der Jugendliche passt, werden die Familien vom Kommunalen Integrationsbüro beraten.  „Ideal ist es natürlich, wenn sie ein Zeugnis dabei haben“, so Köllner. Gerade die syrischen Familien kämen sehr häufig mit den Zeugnissen der Kinder und auch der eigenen beruflichen Laufbahn, Albaner hätten selten Unterlagen und aus den südosteuropäischen Ländern Bulgarien und Rumänien hätte niemand ein Zeugnis. Fehlen die Zeugnisse wird die Empfehlung für eine Schulform auf Grundlage eines mündlichen Gesprächs mit Lehrern gegeben.