Witten/Bochum. Polizei und Bogestra beklagen, dass immer mehr Fußgänger wegen SMS, Telefonierens und Kopfhörertragens nicht genug auf den Verkehr achten.

„Das ist die Pest.“ Mit diesem drastischen Begriff kommentiert Bogestra-Vorstand Gisbert Schlotzhauer das große Problem, dass immer mehr Fußgänger von ihrem Handy oder Kopfhörer abgelenkt werden und damit schlimme Unfälle herbeiführen können. Bus- und Bahnfahrer klagen regelmäßig über diese Gefahr. So starb etwa im August ein 19-Jähriger in Heven auf den Schienen der Straßenbahn – weil er die Klingel der Bahn aufgrund seiner Kopfhörer nicht gehört hatte.

Bogestra-Sprecher Christoph Kollmann schätzt, dass im Betriebsgebiet „an jedem Tag mindestens ein Vorfall“ dieser Art passiert: Ein Bus oder eine Straßenbahn muss stark abbremsen, weil ein Fußgänger auf die Fahrspur tritt, der sich nur auf sein Handy oder die Musik aus seinem Kopfhörer konzentriert. Das sei „eine tagtägliche Erfahrung“. Meist bleibt es bei Beinahe-Unfällen, in Witten und Herne jedoch sind mehrere Menschen schwer verletzt oder getötet worden.

Hauptkommissar findet "Smombies" erschreckend

In Heven starb im August jener 19-Jähriger, der mit Handy und Kopfhörer im Ohr von einer Straßenbahn erfasst wurde. In Witten-Mitte wurde im Juli eine 16-Jährige beim Telefonieren von einer Straßenbahn am Kopf getroffen und schwer verletzt. In Herne ging im März ein 48-Jähriger, der durchs Handy abgelenkt war, über die Straße und zwang einen Busfahrer zur Notbremsung: Sieben Schüler im Bus wurden teils schwer verletzt, einer erlitt einen Handbruch.

„Es ist erschreckend“, sagt Polizeihauptkommissar Siegfried Klein. Der Leiter der Verkehrsunfallvorbeugung erwähnt das neudeutsche Wort „Smombie“: eine Mischung aus „Smartphone“ und „Zombie“. Ein Smombie ist ein Mensch, der durch Blicke aufs Handy nicht mitbekommt, was um ihn herum passiert.

„Blindgang“ ohne Blechkleid

Innerhalb der Busse und Bahnen kann einem nicht viel passieren. Aber wenn ein Smombie aus- oder einsteigt und über die Straße läuft, kann er schnell schwer verletzt sein – und auch andere gefährden.

Wie die Bogestra sieht auch Klein eine klare Zunahme dieser schleichenden Gefahr. Ein Autofahrer, der am Steuer eine SMS schreibe, verliere erwiesenermaßen zu 70 Prozent seine Aufmerksamkeit für den Verkehr; so als hätte er 1,1 Promille Alkohol im Blut. „Ich könnte mir vorstellen, dass das auch auf Fußgänger zu übertragen ist.“ Und diese hätten bei ihrem „Blindgang“ anders als Autofahrer keinerlei Blechkleid als Schutzschild.

Im April werden Bogestra, Verkehrswacht und Polizei zunächst am Bochumer Hauptbahnhof mit einem Aktionstag über die Gefahren aufklären. Außerdem werden dann „Smombies“, die über Rot gehen, von Zivilbeamten zur Kasse gebeten.