Bochum. . Neue Sportart hat in Bochum Fuß gefasst. Ein Mischung zwischen Gladiatorenkampf und Rugby. Angeblich geringes Verletzungsrisiko.

Der Läufer hat den Spielball fest in seinen Händen. Seine Teamkollegen fechten mit gepolsterten Stangen, um ihm den Weg zum Tor zu ebnen. Wache Augen und schnelle Beine sind entscheidend für einen erfolgversprechenden Sprint. Hier wird „Jugger“ gespielt – einmalig in Bochum.

Der anfangs „anders anmutende“ Mannschaftssport entspringt dem australischen Film „The Blood of the Heroes“ (1989). Der Titel lässt keine Zweifel am brutalen Überlebenskampf in einer fiktiven post-apokalyptischen Welt des 23. Jahrhunderts. Die deutsche Übersetzung „Die Jugger – Kampf der Besten“ steht derweil eher für den heutigen Sport: „Es hat nichts mit martialischen Live-Rollenspielen zu tun“, stellt Trainer Gerd Silvanus (41) klar. „Die deutsche Sportlerfraktion hat Jugger vor rund 20 Jahren für sich entdeckt und ein klares Regelwerk aufgestellt.“

Vom cineastischen Vorbild blieb nur die Grundidee

Seitdem sind Geschwindigkeit und Körperbeherrschung die wichtigsten Kriterien. 2010 gründete Patrick Jaszok (23) den „Jugger Haufen Bochum“ mit einer Handvoll Freunde: „Aktuell haben wir 22 Mitglieder. Die Wenigsten kommen noch aufgrund des Films“, sagt er. Geschlechtertrennung oder Altersbeschränkungen gibt es nicht: „Jeder, der fit genug ist, kann mittrainieren.“

Vom cineastischen Vorbild ist nur die Grundidee geblieben. Fünf gegen Fünf formieren sich auf dem Feld. Statt Blut fließt in der Sporthalle der Helene-Lange Realschule Schweiß, Waffen sind gepolsterten „Pompfen“ gewichen. Der Spielball („Jugg“) aus Schaumstoff ist der Schlüssel zum Sieg.

Nur der Läufer eines Teams darf ihn transportieren, im gegnerischen Mal versenken und so einen Punkt für sein Team erzielen. Dafür kann er nicht fechten, so dass ihm seine vier Mitspieler als „Pompfer“ den Rücken frei halten müssen.

Man kommt mit den Augen kaum hinterher

Die Wahl des Sportgerätes treffen die Spieler. Die Kurz- und Langpompfen, Q-Tips, Stäbe, Ketten und Schilder bauen sie aus Carbon oder Bambus zunächst selbst und ummanteln diese anschließend mit reichlich Schaumstoff.

Abteilungsleiter Xing Liu (26) erklärt: „Dadurch ist die Verletzungsgefahr nicht höher als bei anderen laufintensiven Sportarten.“ Kopf- und Handtreffer sind tabu, schnelle Schläge weitaus effektiver als heftige Hiebe, da allein die Berührung zählt. Wer getroffen wurde, setzt knieend einige Sekunden aus. Wird er zusätzlich durch einen Gegner gepinnt, muss er warten, bis die Bewachung gelöst wird.

Beobachtet man erstmals ein Match, kommen die Augen kaum hinterher. Die Spieler meistern sekündlich den Spagat zwischen angreifen und parieren. Einmal zu lang geblinzelt oder gar Luft geholt; schon steckt der Jugg im Mal und es ertönt erneut die Spieleröffnung: „Drei, Zwei, Eins, Jugger!“