Bochum. . Das Musikzentrum Bochum wird noch mal teurer: Der Kulturdezernent räumt Mehrkosten von bis zu zwei Millionen Euro ein. Um die Baustelle gibt's Streit.
„Zwei Millionen Euro mehr. Das ist eine Prognose, verbindlich kann ich das noch nicht sagen.“ Kulturdezernent Michael Townsend bestätigte am Montag Informationen der WAZ zum Bau des Musikzentrums, die er einen Tag zuvor noch nicht kommentieren wollte.
Die für die Heizungsanlage zuständige Firma habe die Baustelle ohne Angabe von Gründen am 10. September verlassen, hieß es morgens. Auf Anfrage der WAZ präzisierte die Stadt die Auskunft am Abend: „Es gab seitens der Firma Behinderungsanzeigen in einem üblichen Umfang“, aber „keine Androhung auf Einstellung der Arbeiten“.
Zwei Mal habe die Stadt die Firma aus Hilden dazu aufgefordert, die Arbeiten wieder aufzunehmen – ohne Erfolg. Auch Anrufe seien unbeantwortet geblieben und bei einem Besuch des Firmensitzes habe man den Projektsteuerer des Geländes verwiesen. Ende September habe die Stadt den Vertrag dann gekündigt. „Wir sind stinksauer“, sagt Townsend, der jetzt mit rechtlichen Mitteln gegen die Firma vorgehen will.
Unternehmen wird gegen die Stadt vorgehen
Das alteingesessene Hildener Unternehmen indes schildert den Sachverhalt völlig anders: Es sei gar nicht möglich gewesen, die Fußbodenheizung einzubauen. Zum einen hätte im Kirchenschiff noch ein Gerüst gestanden und „es gibt da ein Problem mit dem Grundwasser, der Beton ist feucht“, so der Gesellschafter des Unternehmens auf WAZ-Nachfrage. Bei einem Vor-Ort-Termin mit einem Sachverständigen hätte das Wasser an einigen Stellen rund vier Zentimeter hoch gestanden.
Das Unternehmen werde nach eigenen Angaben nun selbst gegen die Stadt vorgehen. „Eine solch vermüllte Baustelle habe ich in meinem Berufsleben noch nicht gesehen. Ein Arbeiten war dort gar nicht möglich“, so der O-Ton aus Hilden. Die Stadt habe sein Unternehmen aus „fadenscheinigen Gründen“ gekündigt.
Die Stadt widerspricht dieser Darstellung: Die Verlegung der Fußbodenheizung sei flächendeckend möglich gewesen, mit Ausnahme eines Flurs im Kellergeschoss, in den Regenwasser eingedrungen sei.
Der Aufragswert für den Heizungsbauer lag der Stadt zufolge bei 500 000 Euro, 60 Prozent der Arbeiten seien bereits fertiggestellt und bezahlt worden. Für die noch zu erstellenden Leistungen erfolgte bereits am 19. Oktober die Vergabe an eine Firma, die auch mit der Installation der Sanitäranlagen beauftragt ist.
Nachtragskosten in 15 verschiedenen Gewerken
Die Konsequenzen für das gesamte Bauvorhaben sind immens: Nachtragskosten in 15 verschiedenen Gewerken werden fällig, da beauftragte Firmen nicht mehr fristgerecht arbeiten können und, wie es aussieht, Mehrkosten von rund 70 000 Euro allein im Gewerk Heizungsbau anfallen. Außerdem drohen etwa 800 000 Euro aus dem Förderprogramm der EU wegzufallen, da hier die Frist mit dem 31. Dezember endet. „Die Bezirksregierung ist informiert und wir sind im Gespräch“, sagt Townsend.
Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) lehnte die Bitte der WAZ zu einer Stellungnahme ab. „Herr Eiskirch verweist auf den zuständigen Koordinator Townsend“, teilte ein Stadtsprecher mit.
Gräfingholt: „Eine Bauruine mitten in der City kann keiner wollen“
Die neuen Probleme beim Bau des Musikforums an der Viktoriastraße treiben den Politikern die Sorgenfalten auf die Stirn. Wer für den Schaden aufkommen muss, das sei jetzt die Frage: „Die CDU-Ratsfraktion wird die Ursachen genau hinterfragen und prüfen lassen, wer gegebenenfalls in Regress genommen werden kann“, sagt Lothar Gräfingholt, kulturpolitischer Sprecher der CDU-Ratsfraktion. Trotz allem führe kein Weg daran vorbei, das Projekt geordnet zu Ende zu bringen. „Eine Bauruine mitten in der Innenstadt kann keiner wollen.“
Ratsmitglied Heinz-Dieter Fleskes (SPD) zeigt sich verärgert: „Das ist ein außerordentlich bedrückender Vorgang“, meint er. „Wir müssen jetzt haarklein aufklären, wie es dazu kommen konnte.“ Bereits im kommenden Ausschuss für Beteiligungen und Controlling (am 29.10.) sowie im Kulturausschuss (3.11.) stehe das Thema auf der Agenda.
Kulturdezernent Michael Townsend steht bei der Sozialen Liste in der Kritik: „Diese Salamitaktik in der Informationspolitik ist inakzeptabel“, heißt es. „Es wird immer nur so viel mitgeteilt, wie absolut unvermeidlich ist.“ FDP und Stadtgestalter wollen klären, mit welchen Kostenüberschreitungen und Fördermittelausfällen tatsächlich zu rechnen sei: „Auch stellt sich die dringende Frage, ob die Projektsteuerung nicht umgehend neu organisiert werden und die Leitung in andere Hände gegeben werden sollte“, so Volker Steude.
Von einer „inakzeptablen Geheimniskrämerei“ spricht die Linksfraktion. „Es ist völlig unklar, ob die EU und das Land erneut Gnade vor Recht ergehen lassen. Und selbst wenn: Die zusätzlichen Kosten werden die Stadt auf Jahrzehnte belasten. Gleichzeitig wird im sozialen Bereich weiter gekürzt. Das zeigt die soziale Schieflage in der Stadt.“