Bochum. Die Kosten für das Bochumer Musikforum laufen aus dem Ruder. Die Mehrheit des Rates will am Donnerstag weitere zwei Millionen Euro bewilligen.

Die Kosten für das Musikforum Ruhr laufen aus dem Ruder. Die Mehrheit des Rates will daher am Donnerstag weitere zwei Millionen Euro in das Prestigeobjekt pumpen. Der Anteil der Stadt nähert sich damit immer mehr der 10-Millionen-Euro-Marke. Zurückgestellt werden für das umstrittene Kulturprojekt, das ursprünglich nicht mehr als 32,93 Millionen Euro kosten sollte, wichtige Investitionen in Schulen und Baulandprojekte für junge Familien.

Kulturdezernent und Bauherr Michael Townsend (SPD) begründet die Kostenexplosion mit nicht vorhersehbaren Ereignissen. „Bei allen planbaren Kosten liegen wir im Soll“, sagte er unlängst dieser Zeitung. In seiner Beschlussvorlage für die Politik nennt Townsend folgende Gründe für die finanziellen Probleme und Mehrkosten: die Marienkirche sei ein Altbau, steigende Baupreise (+4,3%), Schadstoffe (Benzol) im Boden (701.000 Euro), ein „Puffer“ für ausstehende Aufträge (260.000 Euro), überhöhte Preise für Nachträge plus „Puffer“ für künftige Vergaben (914.000 Euro) sowie Ersatzpflanzungen auf dem Gelände (200.000 Euro).

Die Beseitigung von Benzolrückständen in mehreren Metern Tiefe, Reste einer alten Tankstelle, deren Existenz bekannt war, erfolgte vorsorglich freiwillig. „Wenngleich die fachliche Empfehlung lautete, das Benzol im Boden zu belassen, wurde aus Projektsicht eine weitest mögliche Auskofferung bevorzugt“, heißt es. Man habe sicher stellen wollen, dass im Haus später kein Benzingeruch wahrzunehmen sei.

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Die zusätzlichen Millionen für das Musikforum sind derweil Wasser auf die Mühlen der Projekt-Kritiker (WAZ berichtete). „Die ganze Finanzierung des Musikzentrums steht auf wackeligen Beinen. … Alle Risiken trägt allein die Stadt und damit die Bürgerinnen und Bürger. Denn wenn das ganze schief geht, wird an anderer Stelle der Haushalt zusammengekürzt“, sagte Uwe Vorberg – und zwar im Sommer 2012. Die Realität drei Jahre später bestätigt den Linken-Politiker.

Schüler sitzen in der prallen Sonne

Während Zuschüsse für das Musikforum kein Thema sind, müssen Eltern von Schülern um wenige hundert Euro kämpfen. Christian Geesmann beklagt, dass die Anschaffung eines Sonnenvorhanges für die 5. Klasse seines Sohnes nun von den Eltern selbst bezahlt werde solle. Es gehe um 600 Euro. Die Stadt habe dafür kein Geld. „Da platzt mir der Kragen“, sagt Geesmann vor dem Hintergrund der weiteren Millionen fürs Musikzentrum. Der alte Vorhang sei abgenommen worden, weil er den Brandschutzvorgaben nicht genüge. Und nun sei kein Geld da für einen neuen. Es sei den Kindern aber fast nicht zumutbar, bei praller Sonne dort zu sitzen.

Auch Oliver Dismer ist enttäuscht, dass die Stadt selbst für Kleinigkeiten kein Geld mehr habe. Nach langer Sanierung der Feldsieper Schule und Ausquartierung der Schüler seien ein Sommerfest und die Rückkehr zum Standort gefeiert worden. Die Stadt habe aber nicht mal einen Zuschuss für ein Spielmobil auf dem Fest beigesteuert (wenige hundert Euro). Dies hätte ein „kleines Zeichen der Wiedergutmachung“ sein können, denn an der langen Bauzeit sei sie „nicht ganz unschuldig“ gewesen.

Dismer: „Sicher brauchen die angesehenen Symphoniker eine angemessene Spielstätte. Aber dazu hätte auch die Jahrhunderthalle oder der Ruhrcongress gereicht, zumindest bis man sich ein Musikforum hätte leisten können.“

Städtischer Eigenanteil summiert sich auf fast neun Millionen Euro

Mit fast 9 Millionen Euro ist die Stadt nach dem neuerlichen Zuschuss in Höhe von 2 Millionen Euro beim Musikforum nun mit von der Partie: 2,4 Millionen waren mit dem Baubeschluss veranschlagt, hinzu kommen 0,5 Millionen für den nachträglich beschlossenen Bau des Verwaltungstraktes. Über Stadtwerke und Sparkasse (1,5 Mio) fließen weitere 2 Millionen in das Projekt. Das zur Verfügung gestellte Grundstück dürfte ebenfalls rund 2 Millionen Euro wert sein.

Sitzung beginnt um 15 Uhr im großen Ratssaal

Der öffentliche Teil der Sitzung des Stadtrates beginnt um 15 Uhr im großen Saal des Rathauses, Willy-Brandt-Platz. Die Tagesordnung umfasst 33 Punkte.

Der Zuschuss fürs Musikforum ist Punkt 26. Zuvor geht es u.a. noch um Finanzen städtischer Gesellschaften und Bebauungspläne. Auch Personalfragen gehören zur Tagesordnung. Die wichtigsten sind die Wahl des neuen Baudezernenten Markus Bradtke und die Wiederwahl von Kulturdezernent Michael Townsend.

Kulturstammtisch vor dem Rathaus

Zur Ratssitzung findet am Donnerstag um 14 Uhr ein „Bochumer Kulturstammtisch“ auf dem Willy-Brandt-Platz vor dem Rathaus statt. Vertreter/innen der freien Kulturszene wollen in einem öffentlichen Gespräch über die befürchteten Folgen weiterer städtischer Sparmaßnahmen informieren.

„Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres steht die Freie Kulturszene vor einer möglicherweise existenziell bedrohlichen Kürzungsdrohung“, heißt es in einem Aufruf. Wie berichtet, spart die vom Kämmerer verhängte vorläufige Haushaltssperre auch den Kulturbereich nicht aus. Die Freie Szene, zu der „Große“ wie der Bahnhof Langendreer oder das Prinz Regent Theater, aber auch „Kleine“ wie Figurenspieler oder Jugendbühnen gehören, könnte mit Kürzungen „bis zu 30 %“ belegt werden, so die Befürchtung. Statt ständig weiteren Sparplänen ausgeliefert zu sein, fordert die Freie Szene einen Kulturentwicklungsplan für Bochum, „um langfristige Ziele hinsichtlich Budget und Planungen zu ermöglichen“.

Kulturdezernent Michael Townsend nannte die vorgelegten Rechenspiel einen „Kurzschluss“. „Es gibt keinen Anlass zu denken, dass 30 % aus dem Etat für die Freien gekürzt werden sollen“. Alle ausstehenden Fördermittel würden auch ausgezahlt, versichert der Dezernent. Darüber sei von der Kulturverwaltung angestrebt, die institutionelle Förderung für die „Freien“ fortan langfristig auszurichten. „Eine mehrjährige Förderung und damit mehr Planungssicherheit sind angestrebt“, so Townsend.