Bochum. Bei den 14. Waldjugendspielen kommen rund 400 Kinder an zehn Stationen in Kontakt mit der Natur. Spaziergänge werden weniger.

„Ich weiß nicht“, zuckt der Viertklässler der Arnoldschule mit den Achseln. Er erinnert sich nicht, wann er das letzte Mal im Wald war. Gerade hielt er noch einen glitschigen Regenwurm in der Hand. „Das kitzelt“, strahlt seine Mitschülerin. Ganz anders als die Vibrationen des Playstation-Controllers. Der Weg zur Natur ist in einer von der Industrie geprägten Stadt wie Bochum nicht leicht. Ein Himmeldach für Tauben, gewiss. Aber ein Haus für Fuchs und Dachs? Und ob. Zum 14. Mal führt das Umwelt- und Grünflächenamt in Kooperation mit dem technischen Dienst Kinder aus Bochum in den Wald. Zum ersten Mal fanden dabei die Waldjugendspiele im Berghofer Holz statt.

„Unsere Kinder kriegen den Wald so nicht mit. Die sind überwiegend im Stadtpark“, erzählt Sabine Dittmar (40), Lehrerin an der Arnoldschule. Sie kann sich kaum konzentrieren, so laut ist das Geschrei im Hintergrund. Anders als im Klassenraum bedeutet der Lärm diesmal etwas Gutes. Ist es die frische Luft? Das Rascheln der Blätter? Der feuchte Erdboden? Das Leben, das hinter jedem Baum , auf jedem Blatt sich andeutet? Eine Mischung aus allem, glaubt Johann Mauer, ein Mann, so freundlich wie man ihn nirgendwo sonst als im Wald begegnen könnte.

Von der Natur lernen

Der 65-Jährige ist sozusagen der Vater der Waldjugendspiele. Als ehemaliger Leiter der Forstabteilung gab er die Initialzündung für die Waldjugendspiele. „Ein Kollege aus Baden-Württemberg sagte immer: Das Naturmaß wiederfinden. Das wollen wir Kindern in einer Industriestadt vermitteln. Du lernst so viel von der Natur.“ Auch eine Stadt wie Bochum brauche Freiräume, denn ohne könnte sie nicht wirtschaftlich sein: „Das Ruhrgebiet ist ein von Gott gesegnetes Land. Es hat über Jahrzehnte hinweg Millionen von Menschen ernährt.“

Fast Food-Ketten schaffen das doch auch! Mal eben hin, und satt werden. Die Moderne hat manch eigentümliche Blüte mitgebracht. „Es gibt auch noch was anderes außer Playstation und Apps“, sagt Marcus Kamplade vom Grünflächenamt. „Die Spaziergänge durch den Wald werden weniger.“ Dabei ist so vieles zu entdecken, etwa bei der ersten Station. Werner Zalicz, der Vorsitzende von Lern und Natur, zeigt die Bewohner des Waldes: den Wald-Polizisten Eichelhäher und den Fasan.

Nachfrage ist riesig

Ungläubig schauen die Kinder, fassen die ausgestopften Tiere begierig an. An anderen Stationen geht es tatkräftiger zu: Tannenzapfenweitwurf und Bäume zersägen. Aber auch die Bienen sind fleißige Wesen. Was die wohl machen? „Käse“, antwortet ein Schüler. Denkbar knapp daneben.

Im Vorjahr mussten die Spiele wegen des Orkans ausfallen. „Die Nachfrage ist riesig“, findet Waldpädagogin Rita Brandenburg. Personalbedingt mussten sie auf zwei Tage reduziert werden. „Wir sind froh, dass wir es anbieten können.“ Laut Förster Lothar Kühnen auch noch lange. 1000 Hektar Wald stehen in Bochum: „Langfristig wird der Wald immer größer.“ Die Kinder müssen nur den Weg in den Wald finden. In die Freiheit.