Bochum. . 71 Menschen stellten sich eng zusammen in einen Lkw, baugleich dem Wagen, in dem die Flüchtlinge ums Leben kamen. Über 400 Menschen nahmen teil.

Mit einem sehr würdigen und bewegenden Statement setzten Schauspielhaus und der Bochumer Speditionsunternehmer Gerard Graf am Mittwochabend ein Zeichen gegen das Flüchtlingsdrama in Europa. Rund 400 Menschen kamen auf dem Hans-Schalla-Platz zusammen. 71 stellten sich eng aneinander in einen Lkw, baugleich dem Transporter, in dem vor einer Woche 71 Flüchtlinge am Straßenrand in Österreich ums Leben kamen.

Erinnerung an 71 tote Flüchtlinge

weitere Videos

    Intendant Anselm Weber beobachtete die Situation nachdenklich: „Dies ist kein Kunstprojekt. Wir möchten diesem Moment Raum geben.“ Chefdramaturg Olaf Kröck erzählte, wie es war, als Gerard Graf voller Emotionen vor einigen Tagen anrief und schilderte, dass er seit Jahren mit genau solchen Fahrzeugen Waren transportiere.

    Dann trat Graf selbst auf die Laderampe des Lasters. Er war sichtlich bewegt. „Eigentlich waren diese Leute doch schon sicher, hatten das Schlimmste hinter sich gebracht. Das hat mich sehr betroffen gemacht. Ich möchte aufrütteln. Wünsche mir, dass Bochum die Flüchtlinge mit offenen Armen empfängt.“

    30-Jähriger kam selbst als Kind als Flüchtling nach Deutschland

    Gekommen ist auch der 30-jährige Kurde Akin Kara. Er erzählt, wie er als elfjähriges Kind in einem Auto mit anderen aus seiner Heimat im Osten der Türkei fliehen musste. Wie er empfangen worden ist, daran erinnert er sich nicht.

    Viele Menschen, darunter auch zahlreiche Journalisten waren zum Schauspielhaus gekommen
    Viele Menschen, darunter auch zahlreiche Journalisten waren zum Schauspielhaus gekommen © Ingo Otto / Funke Foto Services

    „Ich finde es aber wichtig, heute hier zu sein“, sagt er. Später reiht er sich ein in die Schlange derer, die – Kinder, Frauen und alte Menschen sind darunter – langsam über die Laderampe in den Lastwagen steigen. Die Tür bleibt offen, doch Akim Kara, der ganz vorne steht reicht es auch so. „Ich kam damals ohne meine Eltern nach Deutschland. Da kommen bei mir viele Gefühle hoch.“

    Ein älterer Mann, Horst Schiller, hat in der Zeitung gelesen, was an diesem Abend geschehen sollte. „Es ist schlimm genug, aber das hier, das muss nicht sein“, ist er kritisch. Während sich die Menschen noch versammeln, tritt eine ältere Frau hervor, einen Strauß roter Rosen hat sie mitgebracht, streut die Blumen vorsichtig in ein rot-weiß markiertes Rechteck, das genau die Grundfläche abzeichnet, die solch’ ein Lastwagen hat. "Nie wieder 71-facher Mord" hat jemand auf ein Pappschild geschrieben.

    In einer guten halben Stunde ist alles vorbei. Der Lkw bleibt noch einige Zeit auf dem sich langsam leerenden Platz. Die Menschen, sie stehen in kleinen Gruppen zusammen, sprechen leise, einige weinen, ertragen es kaum. Mitten drin steht Gerard Graf, der Speditionsunternehmer, der sich sichtbar nicht zu Hause fühlt in dieser Welt der Kunst. Doch er sagt fest: „Ich würde mich selbst ans Steuer eines Busses setzen und Flüchtlinge hierherfahren. Ich frage die Politiker: Wären die Menschen hier willkommen?“