Bochum. . Möglichst noch vor Weihnachten sollen 960 Stühle eingebaut werden. 550 Euro kostet jeder einzelne. Die spanische Firma Ascénder baut und liefert sie.
Jürgen Göke hat Spaß. Mehr noch, Er ist begeistert. Dieser Stuhl hat es ihm angetan. Mit der rechten Hand stützt er sich auf die Rückenlehne, mit der linken Hand klappt er die Sitzfläche runter und rauf, fährt die Konturen ab. Zärtlich fast. Der erste Stuhl steht im Musikforum. „So etwas gibt es sonst nicht“, sagt der Architekt, der bei den Zentralen Diensten der Stadt arbeitet und für die Bauüberwachung des Musikforums zuständig ist. Man glaubt auch Stolz mitschwingen zu hören, wie er da so in der Baustelle des künftigen Musikforums steht und auf ein Musterexemplar des Stuhles herunterblickt, der Beispiel gibt wie die Stühle des Hauses aussehen werden. Hinter, neben, über Göke wird gebohrt, geschweißt, gearbeitet. Er aber hat nur Augen für diesen Stuhl.
Beige-braun, leicht ins gräuliche tendierend ist dessen Stoff. Die Armlehnen sind mit Abschlüssen aus amerikanischer Kirsche versehen, die Sitznummer ist eingestickt. „Diese bündigen Abschlüsse, die sich ergeben, wenn die Sitzfläche hochklappt, sind extra für dieses Konzerthaus so entworfen worden“, sagt er und fährt noch einmal über den Stoff des Stuhles.
"Ob es klappt, wissen wir nicht"
Sehr, sehr hell ist der Stoff, schwer empfindlich, Fleck anziehend gar sieht er aus. Natürlich aber ist er genau das Gegenteil. Viele, viele Aufführungen und Menschen allen Alters und Gewichtes soll und wird er ertragen. „Spezialstoff“, sagt Göke. „Er verträgt 70 000 Scheuertouren. Und er ist auch deswegen so hell gewählt, damit man später im Musikforum nicht meint, man ist im Sarg.“
Mehr als 100 Menschen planen mit
Seit 1999 arbeitet der gebürtige Dortmunder Jürgen Göke (48) für die Zentralen Dienste. Er ist einer von mehr als 100 Menschen, die mit den Planungen für den Bau des Musikforums beschäftigt sind.
Beteiligt sind das Grünflächenamt, das Ordnungsamt, das Tiefbauamt, das Planungsamt, das Katasteramt, das Bauordnungsamt, die Zentralen Dienste und zahlreiche Architekten.
Er ist zu früh am Platz, dieser Stuhl, dieser Musterstuhl. Erst im November, vielleicht auch erst im Dezember werden seine fast 1000 Nachbauten in Bochum eintreffen. „Sie sollen möglichst vor Weihnachten eingebaut werden“, sagt Göke. „So ist der Plan. Ob es klappt, wissen wir nicht.“ Aus Spanien werden sie kommen, in großen Kartons. „Muy fragil“ wird auf ihnen stehen. Dabei sollen sie lange halten, die Stühle. Gekostet haben sie genug.
"Es ging um Qualität, um technische Standards"
525.000 Euro – 550 Euro pro Stuhl – wandern dafür nach Spanien zur Firma Ascénder. Die hatte sich mit ihrem Angebot zu Beginn des Jahres in der offenen, europaweiten Ausschreibung gegen zehn andere Anbieter durchgesetzt. „Es ist nicht der billigste Stuhl, der gewonnen hat“, sagt Göke. „Es ging um Qualität, um technische Standards. Dieser Stuhl hat am Ende die meisten Punkte der Bewertung erhalten. Die Vorgabe war, einen ganzen und einen halben Stuhl zu bauen. Den halben, damit man das Innenleben sieht. Wir haben extra einen Stuhlexperten aus der Schweiz hinzugezogen. Und es war und ist dann dennoch ein Prozess. Wenn man so will, ein Projekt im Projekt.“
Zwölf Stühle werden beschallt
Mal passte den Entscheidern eine Naht nicht. Dann das Schild, auf dem Reihe und Platz zu lesen sein werden, auch in Blindenschrift. Es wird aus vorpatiniertem Kupfer sein. Schließlich war noch eine Kante zu scharf. Sie hätte den Komfort beeinträchtigt. Wobei der noch nicht einmal die wichtigste Eigenschaft an diesem Stuhl ist. Nun aber gibt es sie, die Mutter der Sitzgelegenheiten, die in Bochum zu stehen werden kommen.
Zwölf Stühle werden relativ zeitnah eintreffen. Sie werden gleich in ein Labor gebracht und eingehend untersucht. Denn darauf wird es besonders ankommen: wie schallreflektierend beziehungsweise wie schallschluckend werden sie sein. „Das ist wichtig für die Dicke des Polsters. Das war und ist ein No Go, eine Änderung für den Komfort, unter der die Akustik leidet“, sagt Göke. So wichtig ist er dann eben doch nicht, dieser Stuhl.