Bochum. . Für seine Doktorarbeit hat Jonas Becker die Programmhefte der Orchester in Bochum, Essen und Duisburg untersucht. Dirigent wird gern zur Leitfigur.

Nur noch wenige Wochen, dann laden die Symphoniker ihre Besucher wieder zu neuen Konzerten ein. Und dann erklingen wieder feierlich die Stücke der üblichen Verdächtigen: Mahler, Brahms, Mozart – „und natürlich Beethoven“, ergänzt Jonas Becker. „Beethoven geht immer.“

Becker muss es wissen, denn der Mann ist vom Fach. Als Student der Musik und Wirtschaftswissenschaften untersuchte er in den letzten Jahren die Marketingkonzepte der Orchester in Bochum, Essen und Duisburg und schrieb darüber seine Dissertation.

Für diese Studie ist Jonas Becker Ende Juli mit dem renommierten Folkwang-Preis im Bereich Musikwissenschaften ausgezeichnet worden – für den Bochumer Doktoranden eine große Ehre. „Dabei bin ich eigentlich gar kein Klassik-Freak“, erzählt er. „Ich höre auch gern andere Sachen.“

Dass gelungenes Marketing selbst für ein städtisches Orchester immer wichtiger wird, das hat den 31-Jährigen für seine Arbeit interessiert. „Darin unterscheiden sich Orchester nicht von anderen Betrieben, die am Markt erfolgreich sein wollen“, sagt er.

In seiner Dissertation hat sich Jonas Becker mit der Programmgestaltung und dem Marketing der Bochumer Symphoniker beschäftigt.
In seiner Dissertation hat sich Jonas Becker mit der Programmgestaltung und dem Marketing der Bochumer Symphoniker beschäftigt. © Ingo Otto / Funke Foto Services

Ausgetüftelte Gestaltung der Programmhefte

In mühevoller Kleinarbeit knöpfte sich Becker die Programmhefte der drei Ruhrgebiets-Orchester aus den letzten zehn Jahren vor und untersuchte sie hinsichtlich ihres Programms, ihrer inhaltlichen Ausrichtung – und auch ihres Layouts.

„Bei der Gestaltung der Programmhefte gehen die Orchester mit der Zeit“, sagt er. Einfache Planer im Vokabelheft-Format würden der Vergangenheit angehören. „Das wirkt von den Formaten her sehr modern, fast schon flippig“, meint er. Gemeinsam mit ihren Werbestrategen würden die Marketingabteilungen der Orchester überaus kreativ vorgehen.

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Wer das neue Heft der BoSy in die Hand nimmt, entdeckt einen optisch edel gestalteten Einband, der eigentlich viel zu klein für den Rest des Heftes ist. „Das sind Nuancen, die wichtig sind für ein gelungenes Erscheinungsbild.“ Insgesamt würden die Orchester – auch in ihren Logos – aber stark auf Kontinuität und Wiedererkennung setzen. „So etwas ist ‘corporate identity’ im klassischen Sinne.“

Dirigent steht gern im Mittelpunkt

Und wie jedes florierende Unternehmen braucht auch ein Orchester ein Leitbild. In Bochum fokussiert sich die Werbung etwa an den Litfaßsäulen schon seit vielen Jahren auf das Konterfei von Steven Sloane, der schon vor seinem Dienstantritt 1994 mit dem inzwischen legendären Werbespruch „Welcome Mr. Sloane“ begrüßt wurde. „Solche Ansätze verfolgen andere Orchester auch“, so Becker. „Der Dirigent wird gern zum Aushängeschild erklärt.“

Jonas Becker versuchte sich in seiner über 300 Seiten starken Arbeit, die Anfang Oktober im Franz-Steiner-Verlag erscheint, auch an einer inhaltlichen Analyse. Er untersuchte Eintrittspreise, Zuschauerzahlen und erstellte eine Rangliste der am meisten gespielten Komponisten.

Ergebnis: „Beethoven geht immer. Auch Strauß und Mozart werden oft gespielt.“ Eine Renaissance erleben gerade die Stücke von Dmitri Schostakowitsch, aber das hat vielleicht einen anderen Grund: Er wäre im nächsten Jahr 110 geworden.